Spoiler anzeigen
Es hatte sich in den letzten Tagen wahrlich viel getan. Einerseits war er unter Isolationshaft im Balthasar-Schrein eingesperrt, andererseits war die zweite Durchsuchung seines Geistes durch die selbe Lyssa-Priesterin abgehandelt worden und wiederum saß er nun wieder in der Wohnung von Chester. Die fast drei Tage dort wurden ausgenutzt für mehr Übungen, Training und die Ertüchtigung unter medizinischer Aufsicht. Kein Moment wurde von ihm oder seiner Ärztin verschwendet, egal wie schlecht es stand oder wie eingrenzend die Situation auch war. Sie standen nie, rasteten nie, warteten nie. Dronon hatte ihm seinen Unmut kundgetan und auch die Beweggründe für sein Handeln, Dinge die er nachvollziehen konnte und er ihm in keinster Weise übel nahm. Was er an dessen Stelle getan hätte wurde nie ausgesprochen. Eine simple Aussprache beiderseits kam auf in welcher sie ihre Standpunkte klarmachten und auch die des jeweils anderen, worauf man sich auch einigte. Es war eine regelrechte Seltenheit. Umstände, die sich in der letzten Zeit häuften – Seltenheiten. Wurden vor Monaten oder Wochen gar noch die Waffen gezogen, sich angeschrien oder sich aber in Wut getrennt, waren nun Gespräche an der Tagesordnung. Eine ihm beinah schon willkommene Abwechslung, die er genauso wenig aussprach. Es brannte in ihm, der Drang sich zu rechtfertigen, neue Gespräche anzureißen und somit hitzige Diskussionen anzufechten. Aber dies hat man ihm genommen, den Boden dafür entrissen. Eine Person hat dies alles geschafft, hat mit dem plötzlichen unverhofften Auftreten so viele Leute berührt und in ihnen Veränderungen hervorgerufen. Priester Marktur war ein nicht zu unterschätzender Mann voller Raffinesse und Charme, der es sogar schaffte die ehemalige Piratin auf die Seite des Kriegsgottes zu begleiten. Er lockte sie alle aus der Reserve und konnte sogar einen kurzen Faustkampf mit dem Zaishen innerhalb des Wohnzimmers erbeten, welchen er gegen den Krüppel verlor. Irgendetwas war an diesem Mann das sich Thrymaer nicht erklären konnte.
Nun stand diese Person in der Wohnung des Hauses und hatte ein Thema angeschnitten, dass der alte Zaishen so gut es ging zu umgehen versuchte. Es ging nicht um seine persönliche Vergangenheit, sondern um jener von ihm und Chester. „Ihr habt nicht zufällig einen Sohn, oder? Ich würde eine Vermählung unserer Kinder in Betracht ziehen.“ Seine Worte hallten in ihm noch nach und er konnte nicht einmal mit Gewissheit sagen, ob Cornerstone vom Sofa gesprungen und die Treppe hinauf geflüchtet war, oder ob er sich einfach nur wieder in viele Kristalle aufgelöst hatte. Zu sehr war er darauf bedacht so langsam wie möglich von seiner Kaffeetasse zu trinken, während er auf dem Küchenstuhl saß. Die Rüstung hatte er für den kleinen Kampf abgelegt, harrte nun in einem bequemen Hemd und Leinenhose. Chester stand in der Küchenzeile, die Arme auf der Arbeitsfläche verschränkt und der Blick starr auf den Priester gerichtet. Ihr Mantel und damit auch mögliche versteckte Bewaffnung hing am Kleiderhaken neben der Tür. Die dunkelgrünen Augen waren von unmenschlicher Kälte erfüllt. Ein Ausdruck den der Zaishen bisher nur zweimal in seiner Existenz bei ihr sehen durfte und immer war er daran schuld gewesen. Marktur stand neben dem Küchentisch, die Arme bequem vor der Front verschlossen und konterte den Blick von Chester mit fragend gefurchter Stirn. Thrymaer konnte ihm ansehen, dass er realisiert hatte einen Fehler begannen zu haben und doch wusste der jüngere Mann nicht warum. Also versuchte er es schlicht weiter. „Ihr habt keinen?“, erkundigte er sich mit einem knappen Seitenblick zum noch immer trinkenden Zaishen, welcher ihn im Blick behielt. Er konnte ihm ansehen wie der Kleriker spürte, dass er sich immer mehr in einer Dornenranke verhedderte. „Es wäre auch kein Problem noch fünfzehn Jahre zu warten.. natürlich müsst Ihr beiden das auch wollen, es ist ein freies Angebot.“ Plötzlich richtete sich die Ärztin stehend auf, knallte mit den Händen auf die Arbeitsfläche und schnaufte herrisch aus. „Wir HATTEN einen Sohn.“ Wutentbrannt starrte sie dem Priester entgegen, der ihr überrascht entgegen sah doch kam er nicht zu Wort, da sie ihm weiter entgegen brüllte. „Aber dieser Bastard musste seinen Sturkopf durchringen und dafür sorgen, dass es keine Nachkommen seinerseits gibt.“
Langsam setzte er die Tasse nach einer gedehnten Minute ab, immerhin war ohnehin nichts mehr drinnen. Es klirrte kurz und leise. Den Blick zur rasenden Frau mied er und ebenso zum Priester, stattdessen sah er leer vor sich auf die Holzplatte. Er nahm es sich vor zuzuhören. Es war sicherer. Das leise Knirschen von springenden Sehnen drang an sein Ohr und der Zaishen konnte sich sehr gut bildlich vorstellen, wie sie ihre Hände derartig zu Fäusten ballte bis das Weiß ihrer Knöchel durch die Haut zu brechen begann. „Das zweifle ich an.“, war dann plötzlich die Antwort von Marktur. Mehrmals blinzelte Thrymaer und sah verwirrt zu ihm auf, während er den Blick fest auf Chester gerichtet hielt. „Dafür verhaltet Ihr Euch nicht wie-“ „Wie WAS?!“, raunte sie aufgebracht entgegen. Er festigte seine Haltung in keinster Weise, nahm das Brüllen schlicht an und hielt dabei kurz inne, bevor er weiter sprach. „Dafür verhaltet Ihr Euch nicht wie eine trauernde Mutter.“ Einen Augenblick ließ er diese Aussage stehen und nahm sie wieder auf. „Die Rage in Eurer Stimme zeugt von Vorwurf, nicht von Tat.“ Vage sah der Krüppel aus dem Augenwinkel nach rechts zur Seite und konnte so bereits erkennen, wie ihr die Gesichtszüge entgleisten und doch konnte sie sich nach wenigen Momenten schon wieder fangen. „Wie kommt Ihr darauf?“ Ihre Worte erklangen zwar ruhig, aber sie waren lauernd. Wie eine Schlange kurz vor ihrem Angriff, nur auf die perfekte Chance wartend. Marktur atmete gedehnt durch. „Ich fange an Euch zu kennen, Chester. Euch und Eure Wegbegleitung.. also Karten auf den Tisch, ich will wissen was vorgefallen ist.“ Damit sah er nun erstmals wieder zum Ausbilder runter, der dem Blick entgegen kam. „Von Euch beiden.“
Es war für ihn offenbar ein weitaus unangenehmeres Thema, als für Chester. Diese hatte sich und sogar ihm Kaffee eingeschenkt, dem Priester jedoch nicht da er das Angebot ablehnte. Danach setzte sie sich mit an den Tisch, Thrymaer gegenüber und der Gerüstete blieb stehen. Wie ein Wachtturm, der alles überblickte und eingreifen konnte sollte die Situation eskalieren. Sie war es, die zu sprechen begann und dabei den Blick zum Zaishen rüber mied. „Seiner Meinung nach ist es vollkommen unsinnig, dass seine Blutlinie fortgesetzt werden soll. Dementsprechend suchte ich immer mehr Distanz zu ihm, als ich die Hormonsprünge bemerkte und als es dann sogar sichtbar wurde, blieb ich in der Stadt.. damals lebten wir nicht hier gemeinsam. Er hatte seine Arbeit im Fort Marriner und ich war anderweitig in Löwenstein unterwegs.“ Sie atmete auf und zog die Brauen hoch, sah in ihre halbleere Kaffeetasse hinein. „Nach einem halben Jahr war es ihm wohl zu viel zu warten, denn er schickte einen Rekruten auf die Suche nach mir.. und wir fanden uns auch. Als er davon Wind bekam warum ich nicht mehr zu Besuch kam, war seine Reaktion sich einen Tag freizunehmen.. was bei ihm sowieso auffällig war und immer noch ist.. und mir mit meinem Kind aufzulauern.“ Nun hob sie ihren Blick kalt zum entstellten Gesicht des Ausbilders an. „Mit Klinge und Gewehr.“ Thrymaer schnaubte aus, als sich ihre Augen wieder trafen und ein kleines Stück lehnte er sich zurück. Nicht um auf Distanz zu kommen, sondern um die Beine unter dem Tisch bequem zu strecken. „Stimmt, das tat ich und soweit es mir möglich war, habe ich das Balg erlegt.“ Marktur sah schlagartig zu ihm runter, während der Krüppel in aller Ruhe weiter sprach. „Ich habe dir den Säugling entrissen, ihm die Klinge durch die Brust geschlagen und um sicher zu gehen.. habe ich es auch noch erschossen. Er hatte deine grünen Augen.. Und glaube mir Manisa..“ Leicht verengte er seine Lider. „Bis zu diesem Zeitpunkt nun hatte ich gedacht, dass die Erinnerung echt war. Aber das ist sie nicht, nicht wahr?“ Der Priester kreiste die Schultern nach hinten und sah einmal spähend zu Chester, welche die Mundwinkel stark verzog, ihm aber nicht ins Wort fiel. So konnte er ungehindert weitersprechen. „Sag mir eines.. wie lange kennst du Cornerstone schon?“
Der plötzliche Themenwechsel schien den Priester aus der Bahn zu werfen, weswegen er verwirrt zum Ausbilder sah. „Wie kommt Ihr nun auf den Mesmer?“ „Ganz einfach, Marktur.“ Der Krüppel sah zu ihm auf und zog die verbliebene Braue hinauf. „Ihr habt es richtig herausgehört, dass sie keineswegs wie eine Trauernde an dieses Thema gegangen ist und vieles ist mir in letzter Zeit klar geworden durch den Eingriff einer Lyssa-Priesterin. Unter anderem, dass dieser Kerl bei wirklich sehr vielen Dingen seine Finger drinnen hat.“ Abrupt starrte er zu Chester zurück und seine Stimme brauste auf. „Du kennst ihn schon länger als mich, nicht wahr?“ „Nur um wenige Stunden.“, entgegnete sie mit einem leicht zischenden Unterton. „Er brachte mich erst auf deine Spur, ansonsten hätten wir uns niemals getroffen.“ „Hinfällig.“, feixte Thrymaer und schnitt ihr in den Versuch hinein weiter zu reden. „Du hast ihn darauf angesetzt diesen Abend vorzugaukeln, nicht wahr? Es ist nie passiert und das Balg hat die Nacht überlebt.“ Nun war sie es, die sich zurück lehnte und die Augen verengte. „SAG ES!“ Er schnauzte ihr aufgebracht hinterher und sie schloss ihre Lider dann doch mit einem gedehnten Durchatmen. Marktur mischte sich nicht ein. „Ja, ich habe ihn darauf angesetzt und ja, das Kind hat überlebt.“ Mehrmals schnaufte er tief aus, fing sein Gemüt schnell wieder ein und kreiste die Schultern leicht hinter, die Mundwinkel verzogen. „Wo ist der Kerl?“ „Ich weiß es nicht.“, schnarrte sie zurück und sah ihm wieder entgegen. Ihr Gesicht war zwar entspannt und auch der Ausdruck im Blick hatte sich gelegt, aber die Luft drückte noch immer stark ob der angespannten Situation. „Habe ihn damals in die Obhut einer Bekannten gegeben.. und den anderen Burschen brachte ich zu meiner Schwester.“