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Sie hatte ihn zurück gelassen. Der Krüppel konnte für ihren Geschmack schon viel zu früh wieder selbst auf sich aufpassen, selbstständig trainieren und dafür sorgen, dass er nicht plötzlich doch kollabierte. So nahm sie sich vor zu ihrem alten Lager zu reisen, um den nächsten Nachschub zu holen. Das Salma-Viertel war schnell hinter sich gelassen und auch das Portal nach Löwenstein, bevor sie geradewegs den Weg zum Fort Marriner anging. Der schwere Ledermantel drückte auf ihre Schultern runter, doch war das in der frischen Morgensonne nur passend, immerhin wollte sie nicht selbst auch noch bettlägerig werden. Immer wieder zuckte der Blick ihrer dunkelgrünen Augen umher, suchte die Umgebung nach Auffälligkeiten und einem gewissen Mesmer ab, bevor etwas anderes ihre Aufmerksamkeit forderte und dafür sorgte, dass sie abrupt inne hielt. Einige Schritt weiter erblickte sie am Gürtel eines rot gerüsteten Soldaten ein zerbrochenes Schwert. Der Griff war noch intakt, die halbe Parierstange saß auf und die Klinge war bis auf einen kurzen Splitter schon nicht mehr vorhanden. Ein kräftiger Schlag musste diese Waffe gespalten haben. Jene Waffe, die eigentlich Thrymaer gehörte. Chester hatte sich die Geschichte vom alten Zaishen angehört, die Erklärung weshalb er länger in der Piratenstadt blieb als nötig. Mal wieder hatte er sich auf einen Kampf eingelassen und das sogar schon wieder mit einem Priester des Balthasar. Als ob dieser Idiot Dronon nicht ausreichen würde, um sich das Gesicht einschlagen zu lassen. Die Vorräte waren schnell vergessen und diese einsam auf einem Stein sitzende Gestalt wurde kritisch beäugt, bevor die Ärztin zu ebendieser hinüber lief. Der Schritt ging schnell und zielstrebig, wodurch sie schnell Blickkontakt mit dem Mann aufnahm.
Der etwas dunkelhäutige Mann mit kurzen braunen Haaren und einem stoppeligen Bartansatz sah ihr aufmerksam entgegen, während sie näher heran lief. Ein durchaus strenger, analytischer Blick in den dunklen Augen und die Narben in seinem Gesicht sprachen von einigen Auseinandersetzungen. Er trug eine rote Rüstung sowie eigentlich alle Anhänger des Balthasar, wobei ihr die Schulterplatten schnell auffielen. Solche sah sie nur bei jenen, die den Titel eines Priesters trugen. Die Gewandung war von einigen orangen-goldenen Ornaten geziert und die Handstulpen formten Fratzen von Hundeköpfen, die das Maul weit aufgerissen hatten. Auch ein Helm war in seinem Besitz, hing jedoch über dem Griff eines breiten Schwertes das neben ihm am Gestein anlehnte, während er selbst ebenso leger ausweilte mit den Unterarmen auf den Knien gestützt. Als sie einen Meter vor ihm zum stehen kam, hob er die Brauen leicht fragend an, doch bevor er noch was sagen konnte erhob sie das Wort. „Woher habt Ihr dieses zerstörte Schwert?“ Von dem Soldaten erklang ein gedehntes Aufatmen. „Von einem verkrüppelten Zaishen.. es zerbrach in unserem Kampf.“, antwortete er ihr bemessen ruhig, doch konnte sie aus seiner Wortwahl und dem festen Blick lesen, dass er ihr auflauerte. Sie verschränkte die Arme leicht vor der Brust, wodurch sich ihr Mantel etwas teilte. Sicht auf zwei Pistolen und einem Dolch wurden gewährt, was ihn flüchtig musternd aufsehen ließ. Dann allerdings fanden seine Augen zu ihren zurück. „Weshalb fragt Ihr?“ „Da ich diesen Krüppel verarzte.. wie weit ging der Kampf?“ Regelrecht verwirrt zog er die Brauen bei der sofortigen Nachfrage zusammen und schüttelte den Kopf angedeutet. Schließlich begradigte er seinen Rücken und saß somit aufrecht, bevor er sprach. „Die Regelungen waren simpel.. bis zur Ohnmacht des Kontrahenten. Keine Aufgabe wurde erlaubt und Blut war ebenso keine Eingrenzung.“ „Kam es zur Bewusstlosigkeit?“, hakte sie nach und der Mann schüttelte den Kopf. „Nein, wir hatten eine Pattsituation. Beide kampffähig, allerdings mit einer Klinge an der Kehle des jeweils anderen.“ Er log nicht, der alte Krüppel hatte ihr das erzählt und so schnaubte sie letztlich nur aus. Dem Soldat stieg ein leichtes Schmunzeln auf die Lippen. „Ihr versorgt ihn also.. dann muss ich Euch meinen Respekt aussprechen.“ Seine Worte überrumpelten Chester, weshalb sie mehrmals blinzeln musste. „Wie bitte?“ Er nickte ihr bestätigend zu und sprach weiter. „Ich habe die Gerüchte von ihm gehört.. und die Tatsache, dass er mir fast den Kopf abgeschlagen hat spricht nur für Eure Arbeit.“
Es war Mittag geworden und sie fand sich mit ihm in der Roten Hand wieder, der Taverne im Fort Marriner. Die Einrichtung war schlicht, beinahe schon trist und die runden Kronleuchter hingen tief genug, um einem Charr die Hornspitzen anzufackeln. Die Schänke war keineswegs leer, immerhin gab es auch noch so etwas wie Pausen und genügend Soldaten, die sich etwas gönnen wollten. Zwar hatte sie noch nichts im Magen, doch schlug sie einen Schnaps nicht aus den er ihr spendiert hatte. „Seit über zwanzig Jahren.. kein Wunder, dass Ihr immer noch ein Auge auf ihn habt.“ „Es ist eindeutig eine Angewohnheit, als irgendetwas anderes, also.. keine Liebesbeziehung oder so etwas in der Art. Jeder hat etwas davon und das war es schon.“, entgegnete sie ihm leise seufzend und nahm es sich heraus sein bereits etwas älteres Gesicht zu mustern, das beleibe noch nicht im Ansatz so schlimm aussah, wie von anderen ihr bekannten Fürsprechern des Krieges. Wofür ein Helm nicht alles gut sein konnte. „Ein pures Nutzbündnis.. das klingt ganz interessant. Abgesehen von der Alchemie hält Euch beide also nichts zusammen?“ „Nein.. weder teilen wir das Interesse am Krieg, noch an der Medizin und Kinder gibt es ebenso wenig.“ Sie biss sich kurz auf die Zunge und musterte stattdessen seinen Harnisch, während er die gesprochenen Worte verdaute. Er trug unter all dem Prunk einen sehr dunklen Gambeson. Der raue Stoff an den Leib geschnürt, war es ihr ein leichtes die Wurfmesser zu entdecken welche sowohl an der linken Brustseite versteckt eingelassen wurden, als auch unter der linken Schulterplatte. Das Farbspiel machte es einem Laien unmöglich solche Details zu entdecken und auch im Eifer des Gefechtes würde so etwas fatal ausgehen können. „Welchem Gott huldigt Ihr?“ Chester merkte auf und zog die Brauen leicht hinab. „Melandru.“ „Wirklich?“ Er wirkte noch überraschter als sie bei seinen komplementierenden Worten. „Ihr seid keine Anhängerin des Balthasar?“ Ein derbes Zucken ging durch ihren Leib und sie warf ihm einen äußerst beleidigten Blick zu. „Was? Nein, keineswegs.. das alles liegt mir in keinster Weise.“ Einige wenige der Anwesenden begannen leise zu lachen. Ihr Gesicht war hier nicht unbekannt gewesen aufgrund ihrer Nähe zum alten Zaishen, der zu seiner Zeit noch als hiesiger Ausbilder tätig war, wenn auch nicht gerade beliebt. Die Zankereien gingen gerne länger und waren alles andere als leise. Der Soldat atmete leise durch und lehnte sich ein Stück zurück, sah ihr stirnrunzelnd entgegen. „Das ist eine Schande.. welch Verschwendung von Ehrgeiz.“