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Er konnte nicht schlafen. Zwar lag er im Bett, die Decke über sich gezogen, dem Raum den Rücken zugewandt und auch die Augen geschlossen, aber Schlaf fand er seit Stunden keinen. Draußen ging die Sonne bereits auf und fiel in einem warmen Ton durch verdreckte Fenster hinein. In einer relativen Stille fristete er und zog die Brauen erbost herunter, als er hörte wie sich die Tür des kleinen Unterschlupfs öffnete. Alarmiert spannte er die Oberarme und seine linke Hand glitt langsam unter sein Kissen, berührte mit den Fingerspitzen den Griff eines versteckten Dolches. „Dogrem.“ Es war Jacob. Der kräftige Kerl schnaubte aus und drehte sich sogleich liegend herum, um sich dem Bereich so wieder zuzuwenden und den braunhaarigen Burschen anzusehen. „Was?“ Dieser kam ganz herein und setzte sich durchatmend auf einen der Stühle, kratzte sich am Hals herum. „Wir haben Besuch.“ Schon saß der Dieb auf der Bettkante, der Oberkörper frei und dennoch mit einem besetzten Gürtel ausgestattet. „Wer?!“ „Dein Freund da, der Mesmer.“ Die Aussage ließ den schwarzhaarigen Kerl nicht wenig stutzen. „Er heißt Cornerstone und war dein Meister, bevor du-“ „NEIN!“, bellte ihn der eindeutig jüngere Mann an und warf ihm einen genervten Seitenblick aus grasgrünen Augen zu. „Ich sage es dir.. noch einmal.. und ihm meinetwegen auch. Der Kerl ist mir komplett unbekannt! Ich habe ihn damals erst durch dich kennen gelernt, auch wenn du es mir nicht glauben willst.“ Dogrem schwieg einen Moment in Nachdenklichkeit versunken und brummte dann doch nur, stand lieber auf statt dieses Thema weiter auszureizen und nahm sein ledriges Oberteil vom Boden hoch, streifte es sich über. Als der Kopf durch die Halsöffnung geschoben wurde und er dadurch wieder sehen konnte, fixierte er den Graumantel, der auf einmal mit im Raum stand.
„Dieb.“, grüßte dieser ihn und Dogrem gab ein dumpfes Murren von sich. „Was willst du dieses Mal? Wieder Schnaps? Ein Gespräch?“ „Nein, ich nehme euch beide mit.“ Der hagere Mesmer, welcher in dieser Konstellation offenbar keinen Grund sah sein Gesicht mit der Kapuze zu verhüllen, hob leger die schmalen Schultern an. Jacob drehte den Kopf und sah skeptisch zum alten Blondschopf und auch der vermeintliche Hausherr verengte seine Augen. „Und weshalb sollten wir mitkommen?“ Cornerstone atmete gedehnt aus und verschränkte die Arme bequem vor der Brust, die Mundwinkel leicht verzogen und die Stirn sachte gefurcht. „Naja, ich dachte mir einfach.. dass du deine Ruhe von der Scheiße von vor über einem Jahr haben willst. Klar, die sind auf einmal nicht mehr aufgetaucht, aber..“ Wieder ein flüchtiges Heben der Schultern. „Wir wissen beide, dass es nur eine Frage der Zeit ist.. und, dass du deswegen dauernd so paranoid bist.“ Dogrem gab ein tiefes Raunen von sich, was gleichermaßen zerknirscht und zustimmend tönte. „Und wo soll es dafür hingehen?“ Der Blondschopf leckte sich kurz über den rechten Mundwinkel und warf Jacob einen Seitenblick zu, bevor er zum Fragenden zurück sah. „Zum Hause Chester.. den Rest wird man euch dort erklären.“ „Ha!“, bellte der Dieb auf. „Willst du mich verarschen? Das ist doch mehr als offensichtlich eine Falle.“ „Ja und?“, hinterfragte der Mesmer in einem reichlich arroganten Tonfall. „Plötzlich Angst vor offensichtlichen Fallen? Die sind doch am leichtesten zu überstehen.“
Es knallte mehrmals, aber Chester störte das in keinster Weise. Ihr war mehr als bewusst, dass es wieder unruhig in ihren vier Wänden werden würde und sie bestand auch darauf. Schweigend saß sie wieder in ihrem Sessel und sah mit der Kaffeetasse an den Lippen gehoben zu jenem leeren ihr gegenüber rüber. Thrymaer – der unter der Hand allmählich als 'Ghul' bezeichnet wurde - war fort. Sie hatten noch lange Gespräche bis zu seiner Abreise und es war das erste Mal, dass sie sich nicht im Streit getrennt hatten. 'Ich hoffe wirklich, dass du diesen Brief abgibst, Aurunis', ging es ihr nachdenklich durch den Kopf, bevor sie mit dem nächsten Knall wieder aufsah. Marktur, jener Priester des Balthasar der schon seit geraumer Zeit in ihrem Heim hausierte und versprach, nein – schwor Veränderungen zu bringen, duellierte sich soeben mitten im Wohnbereich mit Mortis. Der Streiter des Grenth war ein gewaltiger Soldat mit bleicher Haut und schwarzem Haar, nicht anders aussehend, als man es sich vorstellen mag wenn man von einem Soldaten des Eisprinzen sprach. Düstere Platten mit wenig Zierrat und grünen Verzierungen, das hiesige Großschwert am Rücken jedoch nicht gezogen, eben sowenig einer der zwei Wurfdolche die sie aus jenem Winkel einsehen konnte. Sie rangelten mit barer Hand. Eisruf, der Grenth-Priester und augenscheinliche Vorgesetzte von jenem Soldaten, saß am Küchentisch und beobachtete das Geschehen ebenso. Vermutlich nicht ganz so alt wie der Ghul, aber mit längst ergrautem Haar und strengen Gesichtszügen, gehüllt in einer mit Metall verstärkten Berobung und schlichtem Zierrat aus vielerlei Vogelknochen, die sowohl um den kräftigen Hals an einer Kette gesäumt waren, während die Schädel von Zentauren auf den breiten Schultern prangten. Ein ebenso muskulöser klerikaler Vertreter seines Gottes. Es überraschte die Ärztin immer noch, dass die beiden wirklich anwesend waren. Der Mesmer fand die sie als erstes von allen, die man hätte erwarten können. 'Sie waren in den Gendarran-Feldern', war der flüchtige Kommentar von Cornerstone, der daraufhin bereits wieder auf die Suche nach dem Rest verschwand. Schon wieder schlug eine Faust auf Platte, woraufhin der immer noch stark lädierte Priester des Kriegsgottes murrte. Die Rohrzange hatte so einige tiefe Verletzungen im Gesicht des Mannes hinterlassen, die man mit vielen kleinen Metallspangen stützen musste. Jene waren entfernt worden vor bereits zwei Tagen und wurden abgelöst durch feste Nahten aus Fleischgarn. Dass die dunklen Blutergüsse noch stark schmerzten waren ihm mehr als offensichtlich kein Grund die Duelle mit anderen einzustellen. 'Der eine Idiot verschwindet und der nächste taucht auf', wussten sie ihre eigenen Gedanken zu belustigen, weshalb sie doch einen Augenblick lang schmunzeln musste.
Noch ein Schluck von der Kaffeetasse, bevor sie ebendiese auf dem Tisch abstellte und zur linken der drei Treppen sah, von welcher Stych herab stieg. Er war es, den der Mesmer über einen Tag später hinein brachte und sich laut dessen Aussage in Löwenstein aufhielt auf der Suche nach neuen Aufgaben. Er hatte seinen schweren Mantel über die linke Schulter geworfen und trug ihn so mit sich zum Küchentisch, legte ihn dort über die Stuhllehne und setzte sich selbst gegenüber von Eisruf, der eher nahe der Haustür weilte. Viel geändert hatte sich an dem blonden Burschen nichts, seitdem er abgereist war. Ein paar kleinere Narben zierten nun zwar seine Visage und der Ausdruck in seinem Blick war um einiges strenger geworden, doch fehlte nichts von seiner Lebhaftigkeit. Dafür war die hässliche Brille weg, die er sich dereinst selbst zusammen gebaut hatte, wodurch man seine fast schon intensiv gelben Augen sehen konnte. Er hatte sich jene lange Auszeit hergenommen, um seine Ausbildung nicht nur fortzusetzen sondern sie auch glatt zu beenden. Sprengmeister der Zaishen. Irgendwie kam Chester für einen ganz kurzen Moment eine sehr üble Vermutung in den Kopf, doch wurde das schnell abgeschmettert. Der Jüngste aus der Runde war nun gängig mit Pistolen unterwegs, genauso wie er damals stetig vom Gestank nach Schwarzpulver begleitet wurde. Das hatte sich nicht sonderlich geändert, aber immerhin kam nun noch eine unterschwellige Note Gasolin dazu. Dieser Umstand forderte vermutlich die Aufmerksamkeit des mit am Tisch sitzenden Priesters, der den Zaishen streng musterte. „Was.. habt Ihr gemacht?“ Es musste wohl mal wieder stärker stinken als ohnehin schon. Der junge Mann sah zu ihm rüber und grinste ihn an. „Habe meinen Flammenwerfer aufgefüllt.“ Die kantige Visage des Priesters verzog sich und mit einer gedehnten Bewegung lehnte er sich an das Holz zurück, weg vom Sprengmeister. „Grenth möge Euch Klarheit schenken.“ Stych verzog die Mundwinkel. „He, soll das heißen Ihr traut meiner Profession nicht?“
„Soo..“, seufzte Cornerstone aus, der auf einmal vor dem Küchentisch wieder im Raum stand und mit ihm auch noch zwei weitere Gestalten – Dogrem und Jacob. „KEINE BEWEGUNG!“, brüllte Marktur auf einmal. Er hatte richtig geahnt. Alle Anwesenden, sogar Chester, griffen instinktiv nach einer Waffe und fixierten ob des Ausrufs den roten Priester. Jener wandte sich herum und zeigte den beiden Neuzugängen ein Nicken, während sich der Mesmer gähnend rüber zum Sofa bewegte, als sei das alles nun nicht mehr sein Problem da er die geforderte Aufgabe bewältigt hatte. „Seid gegrüßt.“, erhob der dunkelhäutige Soldat das Wort ohne dabei einen segensreichen Spruch von den Lippen zu lassen. Die Waffen wurden wieder losgelassen. „Das hier soll ein einmaliges Treffen werden, wenn wir alle..“ Knapp sah er dabei umher, ohne die Einzelnen alle in Augenschein zu nehmen. „.. richtig und schnell handeln, aber das fordert Vertrauen.“ Dogrem schnalzte mit der Zunge und verschränkte die Arme vor der bulligen Brust. „Und warum genau sollten wir Euch vertrauen?“ „Was habt Ihr denn zu verlieren, außer Euer Leben?“ Der Dieb fletschte die leicht gelben Zähne bei der Frage. „Genau DAS!“ Marktur schüttelte nur leicht abwimmelnd das Haupt. „Das haben wir alle und doch sind wir uns einig, dass wir diese Kultisten ein für allemal vernichten müssen.“ Und damit hatte der Priester Dogrem's ungeteilte Aufmerksamkeit.