Ein Idiot weniger, der Krüppel lebte noch und Cornerstone hatte eine Erkältung. Es war ein glorreicher Tag. Etwas über eine Stunde später hatte Dronon mit einer mysteriösen Begleitung das Lager aufgesucht und fanden die Überreste des Desasters vor, wenn auch nur Schritt für Schritt. Sie hatte sich die Ankunft der beiden mit dem Mesmer schweigend angesehen, bevor sie sich dazu entschloss der roten Walze zu erklären was passiert war. Zwar hielt er ihr dabei den Lauf seiner Pistole entgegen, glaubte ihr nach einiger Zeit jedoch und erklärte sich dazu bereit den Zaishen mitsamt seiner Ärztin nach Götterfels zu bringen und für temporäre Unterkunft im Balthasar-Schrein zu sorgen. Man hatte zwar nur eine kleine Kammer dafür bereit gestellt, aber das war für sie kein Problem. Zwei Tage, so hieß es, dann musste Thrymaer für die nächste Herausforderung bereit sein. Dronon hatte ihr davon erzählt, berichtete von einem Eingriff durch Mesmerhand auf seinen Geist. Cornerstone konnte es nicht gewesen sein, zumindest war sie sich darüber sehr sicher.
Schweigend saß sie auf dem Boden neben dem ruhenden Ausbilder, dem sie seiner Rüstung vollkommen entledigte und bereits wieder versorgt hatte. Es war schon eine Routine für sie geworden. Selbst bei ihrer Ankunft auf dem Übungsgeländer sah sie auf einem Blick was ihm fehlte und inwieweit er eingeschränkt war. 'Kein gefährlicher Treffer', rief ihr die Erinnerung nach. Das war der Grund, weshalb sie sich vollkommen auf das Ableben des Peinigers konzentrieren konnte. Ein Bett gab es in dieser Kammer nicht, dafür zwei Matratzen. Auf der einen lag er und auf der anderen saß sie, der Blick starr auf den Mann vor sich gerichtet, während sich eine ganz sachte Gänsehaut auf ihren Unterarmen ausgebreitet hatte. Der Mantel lag aufgerollt unter dem Tisch bei seiner Rüstung. Zuvor öffnete sie noch das Fenster mit den dicken Gitterstäben, damit etwas frische Luft einziehen konnte, da es bereits wieder nach scharfer Alchemie stank. Nachdem man im Schrein angekommen war, erkundigte sie sich nach Weiterversorgung und schnappte sich relativ ungefragt den garstigen Graumantel, der danach wieder mit tragen helfen durfte. Der Beitisch war überflüssig und musste nach draußen, dafür kam ein ordentlicher hinein als Unterlage für die paar medizinischen Apparaturen, die sie für jene kurzen Stunden benötigte. 'Du hast keine Ahnung, wie viel Arbeit das sein wird, du blödes Arschloch'. Sie seufzte leise und resignierend auf, wegen ihrer eigenen Gedankengänge. Auf einmal riss er das Auge auf und drückte sich mit einem tief schnarrenden Geräusch sitzend hoch, nur um sofort wieder auf die Matratze runter zu knallen, als er von einer erschrockenen Chester eine geballte Ladung voller Faust zu spüren bekam, die ihm gegen den Wangenknochen knallte.
Eine kleine Naht später saß er mit dem Rücken an der Steinwand angelehnt da, die Beine in einem offenen Schneidersitz und eine raue Stoffdecke um den Unterleib samt Bauch gelegt, damit alles unter dem Brustkorb keinen verkühlenden Windzug abbekam, bevor eine Gewohnheit abgearbeitet wurde. Sie saß direkt vor ihm und bereitete zwei Spritzen vor. Der Inhalt sah jedes mal etwas anders aus, aber immer handelte es sich um den selben Inhalt. Sein Blick wanderte träge zwischen ihr und ihrer Arbeit her, während sein eigener Herzschlag mit einem fies dreckigen Klopfen im von Migräne heimgesuchten Schädel herumhämmerte. Die Stichwunden durch die Übungskämpfe zwickten ebenso immer noch unangenehm. Die Sicht war verschwommen, überall waren Reize die ihn überforderten und auch das Licht das im Raum stand wurde ein Feind. „Ich hasse es..“, seufzte er dumpf aus und beobachtete aus dem Augenwinkel, wie sie ihm den rechten Oberarm direkt unter der Schulter mit einen dicken Faden abband. „Ich weiß.“, antwortete sie ihm ruhig und bereitete die erste Spritze vor. „Faust ballen.“, orderte sie an und er kam dem nach. Die Luft die ihn von der rechten Seite aus dem offenen Fenster entgegen kam war beinahe schon zu kühl, aber sein Körper strahlte eine Hitze aus die dem unwirschen Wetter mühelos die Stirn bot. Kurz nur sah er zu den Gitterstäben hoch und dann wieder zu ihr zurück, verfolgte schweigend wie sie die Nadel am zerstörten Gewebe seiner Ellenbeuge ansetzte. Jeder der ihn nicht kannte, egal wie gut dieser Sanitäter auch sein möge, würde in diesem Chaos keine nützliche Ader finden. Sie schon. Er wollte irgendwie gar nicht wissen woher und ahnte, dass Chester ihn in seinem und in ihrem Leben schon zu oft aufgeschnitten hatte, um sich das irgendwann zu merken. Der schmale Metallstift wurde im Arm versenkt. „Hand öffnen.“ Er tat dies ohne nachzudenken und sogar einen Moment früher, als sie die Aufforderung ausgesprochen hatte. Zu sehr war dieser Ablauf eingespielt. Jedes Mal nach einem Kampf das selbe Szenario. Kurz verschob sie die steckende Nadel etwas und drückte dann doch mit einem langsamen Druck durch den Daumen den Inhalt des Kolbens vorwärts. „So..“ Ihr abschließender Tonfall kam ihm amüsierend entgegen, immerhin war sie noch mitten im Prozess. Es galt jedoch nicht ihrer Arbeit, sondern ihm.
Der Fremdkörper wurde behutsam hinaus gezogen und zur Seite gelegt, bevor sich ihre linke Hand um seinen Unterarm schloss und sie mit dem Daumen nun Druck auf die Einstichstelle ausübte. Ein Stück weit lehnte sie sich vor, fasste mit der freien Hand an sein Kinn und hob es ein Stück an. Er spürte, wie sich sein Hinterkopf anders an den Stein lehnte und sein Blick hob sich zur Decke an. „Du kennst das Spiel, Aurunis. Wir sehen uns gleich wieder.“ „Mhm..“ Er antwortete nicht mehr verbal, sondern begann mehrmals sehr tief durchzuatmen. In einem gleichmäßigen Sekundentakt begann er auf den forschen Stoff der Decke zu klopfen, denn das daraus resultierende Geräusch war seine Vorgabe für die nächsten Schritte. Sie brauchten sich schon gar nicht mehr absprechen. Chester beobachtete die Reaktionen seines verbliebenen Auges, wie es auf die Umgebung reagierte und hörte auch auf seine Atmung. Jede kleinste Veränderung gab an wie weit das Mittel schon einwirkte. Fast zwei Minuten zog es sich hin, bevor er realisierte, dass sich die leisen Klopfgeräusche verzögert an sein Ohr wagten. Zwei Sekunden Verzögerung nach dem Berühren des Stoffes. Drei. Fünf. Das Licht um ihn wurde satter und kräftiger, die eigene Atmung entfremdete sich ebenso. Die Konturen wurden schärfer und schließlich verlor sich alles was er sah und spürte. Wie ein sich sehr schnell wiederholendes Raster holte ihn das letzte Geräusch ein, das er gehört hatte. Sein Atemzug. Zehn Sekunden lang. Zwölf. Siebzehn. Dann kam auf einmal ein anderes Geräusch hinzu, das er gar nicht so wirklich einorden konnte. Ein dumpfer Grauschleier war vor seinem geistigen Auge und dennoch vermochte er es geringe Gedankengänge zu formen, wenn auch keineswegs all zu komplexe. Erfolglos rätselte er, wie lange diese Narkose wohl noch dauern würde, denn plötzlich war er wieder wach.
Ein tiefer Atemzug und seine Sicht schärfte sich sofort. Das laute Klopfen des eigenen Pulses war verstummt, dafür waren aber noch die Kopfschmerzen da, ebenso wie das unangenehme Zwicken in seinem Rumpf. Sein Blick fand zuerst zu seinem linken Bein, das ausgestreckt und um das Knie herum geöffnet war. Auch dort war die Haut blass und von zich Narben gebrochen, wovon einige für diese Operation schon wieder geöffnet wurden. „Du solltest dich vielleicht doch für einen Reißverschluss entscheiden.“, schnarrte er und sah dann zu ihr, während sie bereits wieder dabei war den nächsten Spritzeninhalt in seinen Körper zu jagen. „Vielleicht ein andermal, bis gleich.“ Er schnaufte bei den Worten. „Bis gleich.“ Einmal blinzelte er und fand sich auf seiner Matratze liegend vor, nicht in einem Stück wacher oder müder als noch zuvor. Testend begann er mit den Zehen zu wackeln und brummte, da sich kein Schmerz auftat. „Wie lange war das jetzt?“ „Die ersten zehn Stunden.“, war ihre Antwort. Sie stand am Fenster und rauchte, hielt ihn dabei unter steter Beobachtung. „Habe vor dich noch drei Mal schlafen zu schicken und den Rest auch noch zu versorgen, danach geht es wieder an das Training.“ Der eigentliche Ausbilder verzog den Mundwinkel ein Stück, starrte die Decke über sich genervt an. „Hast wohl den Arsch offen.“ Bei dem legeren Kommentar hob sie die Schultern. „Noch nicht. Dennoch solltest du dich nicht so gehen lassen, du willst doch noch gen Maguuma.“ Leider hatte sie Recht und er gab einen störrischen Grolllaut von sich, neigte den Kopf etwas in den Nacken und sah überkopf zu ihr rüber. „Zehn Stunden waren das?“ Ein Nicken von ihrer Seite. „Ja.“ Thrymaer schnalzte abschätzig mit der Zunge. „Dann mach weiter, wir haben nicht mehr so viel Zeit die wir später nützlicher verbraten können.“