Es wurde langsam Abend und auch stiller in der Roten Hand. Diverse neue Gesellen kamen hinzu, andere gingen wieder auf ihre Posten zurück. Chester und jener Balthasar-Priester blieben allerdings, ebenso wie das Gesprächsthema der beiden. „Es wäre sinnbefreit, würde ich nun.. 'meine Gottheit wechseln'.“, warf sie salopp ein. Ihr Rachen brannte und ihr Atem stank nach so vielen Gläsern Schnaps einfach nur noch übel, jedoch ging es ihr damit nicht alleine so. Auch er hatte seinen ein oder anderen Becher leer getrunken. So winkte er leger ab bei ihrem Argument, als sei jenes so hinfällig wie kaum etwas anderes an jenem Tag. „Es geht auch nicht um einen Wechsel, Werteste, sondern um eine Änderung der Ansichten Eurer Prioritäten.“ Sie verengte ihre Augen stark bei seinen Worten und sah ihm aufmerksam ins Gesicht, während er weiter erläuterte. „Ich werde nun nicht anfangen Melandru weniger zuzusprechen, als allen anderen Göttern.. so etwas maße ich mir nicht an. Bestreben und Disziplin sind dennoch Dinge, die Felder des Kriegsgottes sind.“ „Mein Bestreben legt sich auf das Wissen, oder eher.. mein Wissen. Wäre das nicht eher das Gebiet von-“ „Balthasar.“, schnitt er ihr ins Wort und lehnte sich ein Stück nach vorne. Regelrecht bequem verschränkte er die gepanzerten Arme vor sich auf dem Tisch, wodurch die Hundemäuler durch das Licht einer der Kerzen auf der Holzfläche in neuen Glanz getaucht wurden. Einige Kerben schlugen dabei heraus und kleine Details wie abgeblätterte Farbe waren ebenso für sie einsehbar, doch waren seine Augen ihr Ziel und so sah sie diese wieder an. Er war immer noch an der Reihe zu sprechen, was sie auch nicht unterbrach. „Ich erwähnte vor einigen Stunden bereits Euren Ehrgeiz und er imponiert mir.. wie oft habt Ihr Euch nicht schon gegen Höhergestellte aufgelehnt für Eure Arbeit und Eure Patienten? Wie oft seid Ihr nicht schon freiwillig in ein offenes Maul gerannt, um eine Diskussion anzureißen egal wie hinfällig und einseitig sie auch schien, ohne eine Aussicht auf Erfolg?“ Leicht verengten sich seine Augenlider und wieder wurde seine Gesichtsmimik von Strenge erfasst. „Ihr seid stark und Stärke wird nicht gelobt, sie wird angepriesen. Es ist essentiell für alle, die sich in dieser Welt beweisen zu gedenken. Ein Feuer braucht seinen Fraß, braucht Platz und-“ „Andere Dinge, die ich im Kampf finde.“, warf sie nun doch ein und begann amüsiert zu schmunzeln. „Ihr fangt an zu sprechen wie er..“ „Er versuchte Euch einst zu bekehren?“, hinterfragte er und auch sein Ausdruck lockerte sich wieder auf. „Einst? Jeden Tag.“ Ungläubig schüttelte er erneut das Haupt. „Und weshalb genau.. widerstrebt Ihr Euch derartig?“ Ihr Schmunzeln zerfiel und sie lehnte sich im Stuhl zurück, nahm erneut die Arme überkreuzt vor ihre Front. „Weil ich jedes Mal an alle negativen Aspekte dieses Denkens erinnert werde, sobald ich ihn sehe oder nur an ihn denke.“
Das Gespräch pausierte für ungefähr zehn Minuten, bevor es der Soldat war der seine Stimme wieder erhob. „Macht es Euch Angst?“ „Nein, es widert mich an.. ich verstehe nicht, weshalb man derartig fanatisch sein kann sich so.. so gehen zu lassen.“ „Ihr meint Übereifer?“ „Nein.. fehlender Skrupel. Es scheint so, als ob man sich einfach so dem Schlachten hingibt an einem Punkt, dass man die eigene Menschlichkeit verliert.“ Der Mann atmete gedehnt durch. „Ich kenne Euch nicht und ihn habe ich auch nur einmal gesichtet, der ganze Rest besteht aus Hörsagen.. was ich allerdings mitbekommen habe lässt mich erahnen was Euch so widerstrebt und weshalb Ihr Euch so dagegen lehnen lässt.“ Sie schürzte die Lippen. Viele Vorahnungen kamen ihr auf und sie wusste nun schon was er sagen würde. Er hatte es doch auch schon versucht, du vergeudest deine Zeit. Dennoch nickte sie ihm auffordernd zu und er begann nach einer kurzen Pause wieder zu sprechen, sah ihr dabei unentwegt und eingehend entgegen, doch nicht starrend. „Ihr seht das Schlechte des Krieges und von Eurem.. Partner, ich bezeichne ihn nun einmal als solchen. Alles was Ihr mitbekommen habt waren die Übel und die Nachteile, die er zu Euch gebracht hatte und ihn über die Zeit verblendete.“ Sie schnaubte langsam aus und schüttelte den Kopf leicht, allerdings in einer unterstreichenden Geste. „Stimmt.“ „Stimmt..“, wiederholte er leise für sich und fuhr danach fort. „Aber habt Ihr Euch einmal vor Augen gehalten, dass das eventuell nicht der Krieg war der solche Veränderungen brachte sondern er?“ Chester hob die Brauen verwirrt an. Das war nicht das, was sie zu hören erwartet hatte. Der Mann hob den linken Mundwinkel ein kleines Stück an und redete in einem nun besonnenen Tonfall auf sie ein. „Ihr wisst, dass er ein Ausbilder war und vermutlich noch ist wenn man ihn neu einbezieht.. und Ihr wisst auch was er in diesem Feld tat. Er bildete sie nicht von Grund auf aus, er hat diejenigen bekommen die alle anderen Ausbilder vor die Frage stellten, ob sie im Feld überhaupt nützlich und fähig waren.. und für eine Antwort auf solche Worte braucht es Dinge, die man auf dem Ausbildungsplatz nicht vorfinden kann.“ Sein Gesicht entspannte sich wieder und sie verengte die Augen leicht. Es dämmerte ihr und er nickte ihr zustimmend zu. „Ihr wisst worauf ich hinaus will.“ „Er stellte sie selbst vor jene Frage.“
„Ich will dabei keineswegs sagen, dass nicht ein gewisser sadistischer Anklang dabei war, aber.. wie Ihr sagtet: Irgendwann verliert man seine eigene Menschlichkeit.“ „Und das soll mich nun beruhigen?“, hinterfragte sie mit spitzer Stimme, was ihn dazu veranlasste sie beschwichtigend anzulächeln. „Nein, es soll Klarheit schaffen.. oder wollt Ihr bestreiten, dass Ihr genau wegen diesen Wesenszügen nichts mit dem Krieg zu tun haben wollt?“ Sie stutzte und zog die Luft scharf durch ihre Nase ein, blickte ihm nun durchaus eindringlich entgegen. „Nein, das bestreite ich nicht..“ „Seht Ihr, es wirkt. Selbst bei Euch und das, obwohl Ihr gar nicht zu seinen Rekruten gehört.“ Ein bissiges Grinsen fand sich auf ihr Gesicht, als sie das eigene Wort darauf erhob. „Das macht es immer noch nicht besser.“ „Bestimmt nicht, aber nun habe ich Euch bei dem Punkt an dem ich Euch haben wollte.“ Das Holz der Tischfläche knarzte, als sie sich ruppig darauf auflehnte. Sie machte es ihm gleich, hielt ebenso die Arme darauf verschränkt und rückte derartig nah heran, dass zwischen ihren beiden Gesichtern nur noch zwei Handbreit Platz war. „Dann hoffe ich, Ihr habt nun die richtigen Worte.. ansonsten war der gesamte Tag umsonst.“ Seine Stirn furchte sich ein leichtes Stück, bevor er ihr wieder zusprach. „All Eure Vergangenheit hat Euch vor die Frage gestellt, ob Ihr kämpfen wollt.. und Ihr wollt. Nicht im Krieg, aber für Euch und wenn es dabei darum geht Euch zu beweisen, anderen etwas zu beweisen und dabei auch noch Erfolge fernab Eurer eigenen Grenzen zu erreichen, dann habt Ihr schon seit Jahren eine Entscheidung getroffen.. und wollt sie Euch nur nicht eingestehen.“ Sie spürte wie sie ihre Zähne aufeinander biss und mit den Kiefern mahlte, doch lauschte sie ihm nur weiter. „Ihr habt das personifizierte Grauen des Krieges bei Euch zu Hause und Ihr kommt damit zurecht.. was könnte also schlimmeres passieren, als das? Ihr helft diesem Wesen sogar, um an dessen Ziele zu kommen. Das ist kein Nutzbündnis, es ist ein Kampf den Ihr gewinnen wollt über Zeit.“ Ein schiefes Lächeln legte sich auf ihre von zwei Silberringen durchstochenen Lippen. „Ja.“, war ihre Antwort. „Ja, diesen Kampf will ich gewinnen.“ „Ihr habt die Kraft dazu, den Willen und das Bestreben.. Ihr seid perfekt für diese Rolle und in jener Position.“ Die alternde Ärztin kannte ihn erst seit einem halben Tag und sie kannte nicht einmal seinen Namen. Dennoch brachte er sie zu einem amüsierten Auflachen, als es ihr wie Schuppen vor den Augen fiel. Dieser verdammte Krüppel hatte die ganzen Jahre über nicht gelogen und sogar Recht gehabt. „Sagt es.. Ihr wartet doch schon die ganze Zeit darauf.“ Er nickte ihr daraufhin wohlgesonnen zu, regelrecht abschließend zu all seiner nun bestätigten Vorarbeit. „Balthasar schenke Euch Kraft.“
Sie sollte in jener Nacht noch nicht nach Götterfels zurück kehren und auch nicht den Tag darauf. Es gab zu vieles zu bereden.