"Habt Ihr nun über ihr Angebot nachgedacht, Bruder Dronon?"
"Es ist mehr eine Forderung als ein Angebot." Die Antwort kam harsch, aber gezügelt, um die morbide Andacht des Ortes nicht mit unnötiger Indignität zu durchbrechen. Der Muskelberg knirschte entnervt mit den Zähnen. Er nahm damit Vorlieb, ignorant weiter in die Flammen zu starren, auch wenn er bereits ahnte, dass diese Wahl ihm für diesen Kampf wenig nutzen würde. "Und ich habe Euch schon einmal gesagt, dass ich nicht mit Terroristen verhandle."
"Ich erinnere mich gut." Sarzaleths Worte waren wie vergifteter Honig. Geschmeidig doch dunkel - von inspirierendem Klang, aber einschnürender Präzision, wenn man sie erstmal erfasst hatte. "Ihr zieht es vor, die Waffe zu erheben und brüllend den Tod zu bringen."
"Es ist der alte Weg. Der harte Weg."
"Habt Ihr deswegen die Angewohnheit entwickelt, jene abzuschlachten, die Euch im Kern am Ähnlichsten sind und sich doch weiter hinaus wagen als Ihr?", entgegnete der rothaarige Ascalonier mit einer Leichtfertigkeit, die des bulligen Riesen aufkeimenden Ärger in keinster Weise dämmte. "Erst die Separatisten, die einen alten, verlorenen Krieg nicht beenden wollen. Dann der Novize, dessen berserkerhafter Kampfwahn keine Grenzen kannte.." Die eisig blauen Augen Sarzaleths hefteten sich an die unschön verschmorte Silhouette Jester Simoors auf dem prasselnden Scheiterhaufen. Eine Feuerbestattung war eine hässliche Sache.
Zunächst sprach Dronon Nichts. Er musste unweigerlich an Stu denken, an die Worte des Jungen im Kerker. Sie lasteten auf seiner Seele als tonnenschweres Gewicht, so häretisch, so verwirrt und doch so aufopferungsvoll. Es war ihm egal gewesen, wie klein und schmächtig der zahnlückige Botenjunge auch gewesen sein mochte. Er hatte in seine Augen gesehen und Balthasars Feuer erblickt. Hätte er nur mehr Zeit gehabt, hätte er es nur eher gewusst..
Als der schwere, grollende Bass schließlich erklang, sprach er nicht von einem verlorenen Schüler und nicht von Drosselmördern. "Ich sollte Euch die Eingeweide herausreißen, Sarzaleth, und sie Euch in dieses scheinheilige Maul stopfen, mit dem Ihr mich beleidigt."
"Ich danke Euch für die Bestätigung meiner Theorie auf zahllosen Ebenen." Sarzaleth lehnte sich minimal vor, mit neutraler Mimik, um das nunmehr vom Zornesblut durchpumpte, aggressiv verzerrte Antlitz des Kriegshetzers im Profil zu betrachten. Zweifellos glaubte der Ascalonier, das triumphale Zucken seiner Mundwinkel würde nicht auffallen, so erbittert und rasend wie sein Gesprächspartner am Starren ins Feuer festhielt, doch Dronon wusste genau dass es da war.
"Ihr wollt mich provozieren, Euch zum Duell zu fordern, damit Ihr mich mit einer Flut an heiliger Wächtermagie vorführen könnt, wo es Euch im Nahkampf mangelt.", knurrte der bullige Halbelonier tief und schroff. "Damit Ihr so an Euren Willen bekommt."
Die leichte Verstimmung, von welcher die kurzzeitige Spannung über den hohen Wangenknochen des blaublütigen Kampfmagiers kündete, war dezent aber echt. Immerhin ein Treffer.
"Ihr denkt dass ich im Kern Nichts weiß davon, die Waffen eines anderen gegen ihn selbst zu wenden.", nutzte Dronon die Gunst der Stunde, um in bewusst drohendem Tonfall fortzufahren, eh der Widersacher ihm doch noch dazwischen geraten konnte. Stahlplatten schabten sacht aneinander, als nunmehr der Koloss sich seinem leichter, aber noch einen Tick prunkvoller gerüsteten Ordensbruder zuwandte.
"Und ich bin darin wahrlich nicht auf Eurer Ebene. Aber Eure verbale Unterwanderung ist irgendwann genauso absehbar wie mein Zorn, über den die Leute sich heuchlerisch das Maul zerreißen." Er schnaubte unterstreichend.
Sarzaleth hatte sein überlegenes Gebahren längst wiedergefunden, hob aber trotzdem dezent die Rechte, um lose abzuwehren. "Wir wären keine Kleriker Balthasars, wenn nicht jeder von uns hier und da mal einen Sieg einfahren könnte, oder?"
"Es REICHT." Und nun war es Dronon tatsächlich egal geworden, dass das Erheben der Stimme die Grenthpriesterin in der Kapelle weiter hinten übellaunig aufmerken ließ. Er war diesen Mann leid, seinen Ordensbruder, der nur Kritik an den raueren Aspekten seines Schaffens kannte und dazu doch so scharf am Nullpunkt der eigenen Würde entlang schrammte.
Die Zeiten, in denen er zugelassen hatte, dass andere Priester seinen Standpunkt zum Trauerspiel degradierten, die waren vorbei. Er würde es nicht mehr dulden.
"Dennoch warte ich auf eine Antwort.", entgegnete Sarzaleth, nach einem schärferen Atemzug. "Und zwar schon lange genug. Nicht nur Eure Geduld kennt Grenzen, wahrlich."
"Dann kriegt Ihr Eure Antwort, beim Barte Balthasars."
"Nun, ich bin ganz Ohr."
"Ich habe jetzt genug gesehen von der 'Leistungsfähigkeit' der Politik.", knurrte er wüst, riss den Blick fort von Sarzaleth, von Simoor in den Flammen. Er sah hinweg über die Dächer von Ebonfalke, in die Richtung, von der er wusste dass dort die Statue Balthasars über den Erkern thronte, auch wenn er sie von hier aus nicht sehen konnte. Die bloße Vorstellung des Anblickes bestärkte ihn in seinem Grimm. "Wirklich.. wirklich genug."
Ein weitres, dumpfes Schnauben unterbrach seine Worte, während er sich von der Szenerie zu lösen begann. Der Stiel des Streithammers wurde hart auf den Untergrund gepocht, als Zeichen sowohl für den Aufbruch als auch die gefällte Entscheidung. "Ich werde wenn dann persönlich mit ihr darüber sprechen. Ohne Garantie für irgendetwas. Wenn ich zurück bin."
"Wenn Ihr diesmal nicht wirklich Euren Tod findet."
"Ich setze Prioritäten, Bruder Sarzaleth, und ich bin sicher dass Ihr genauso überzeugt seid wie ich, dass sie Eure Präsenz bis dahin ohnehin bevorzugt."
"Darin werden wir uns einig." Ein kühles Aufschmunzeln zierte die aristokratischen Züge des Mannes mit den langen roten Haaren, während die beiden gerüsteten Stiefelpaare nebeneinander her schritten - in Sarzaleths Falle weitaus gerader und formvollendeter als bei Dronon, dessen wuchtige Stampfer nur wegen der krückend gebrauchten Waffe nicht hinkten. Dem Kriegshetzer war es egal.
Sie zählten zu den letzten Menschen die gingen, um den stillschweigenden Rest der Bestattung in den fähigen Händen der Grenthkleriker und Grabhüter zu lassen. Die anderen Diener Balthasars waren bereits fort, ebenso wie die Soldaten der Ebon-Vorhut, welche gekommen waren um dem einstigen Mitstreiter die letzte Ehre zu erweisen – längst zurück auf ihren Posten.
"Und wenn wir dann schon dabei sind, werde ich Euch für Eure eitlen Worte herausfordern."
Ein Seufzen war die Antwort, doch Einwände hatte Sarzaleth keine. Dronon wusste genau, dass der Mann es zumindest nicht wagen würde, seine Würde als Diener des Kriegsgottes in den Wind zu setzen.
Die beiden Priester Balthasars ließen das Verteidigerfeld, den Friedhof von Ebonfalke, hinter sich zurück.