Zurück im Fort der Dreifaltigkeit zu sein bedeutete ihm viel. Die Anfahrt hatten sie dank einer doch recht glücklichen Begebenheit erstaunlich rasch hinter sich gebracht – das kompakte Charr-Dampfschiff, welches Vorräte zwischen den Pakt-Stützpunkten transportierte, hatte die fünf Köpfe starke Gruppe an Bord gehen lassen, nachdem Kriegsmeister Glenwick sich auf Dronons Gesuch hin positiv geäußert hatte.
Das disharmonische Rattern des Motors, der dieses Seegefährt antrieb, hatte selbst die Ohren des Balthasarpriesters über die zweitägige Fahrt hinweg auf eine Belastbarkeitsprobe gestellt. Schlussendlich aber wieder zwischen den Wällen aus Stahl und pulsierenden Energieranken der Pakt-Zentrale einher zu schreiten, war eine eher schon nostalgisch zu nennende Impression.
Die hochmoderne Festung mit ihren Luftschiff-Werften, ihren schweren Kanonen, ihrer Asura- und Charr-Technologie sowie ihrer internationalen Bemannung bot dennoch eine merkwürdige Atmosphäre – war sie doch durch die Silberwüsten-Unternehmung in großen Teilen entvölkert. Die aktuelle Garnison setzte sich zusammen aus Reservisten, aus Stellvertretern und verwalterisch erprobten Veteranen.
Es blieb in Frage, ob es eine gute Entscheidung gewesen war, nahezu alle führenden Köpfe des Paktes gegen Mordremoth abzuziehen. Viele der berühmten Offiziere und Gelehrten hatte der Priester Balthasars in der Silberwüste aus der Ferne gesehen, als er selbst dort gewesen war. Was ihn daran erinnerte, dass bislang jede seiner Beteiligungen an Kampagnen des Paktes in ernüchternder Schwerstverletzung resultiert hatte.
Vielleicht stimmt es, und ich bin in den letzten Jahren zu waghalsig geworden. Worte, die er nicht aussprach, als er den Becher an die Lippen führte – seinerseits nur mit Wasser gefüllt, wo der Mann am Tisch gegenüber krytanischen Rotwein trank.
"Es ist mir wirklich eine Freude, Euch und meinen Sohn hier zu empfangen.", sprach Kriegsmeister Rickbert von Driftmark, ein glatzköpfiger Mann mit mächtigem Schnauz- und Backenbart, während er ein in dunkle Soße getränktes Stück Rinderbraten auf seine Gabel spießte. Der Patriarch jenes Hauses mit der skurrilen Tradition, die Vornamen all ihrer Abkömmlinge mit denselben zwei Anfangsbuchstaben zu versehen – eine gewisse Dekadenz musste ihm zugeschrieben werden, so fürstlich wie er hier von seinen Soldaten abgesondert speiste.
Nicht dass Dronon sich beschwert hätte – die kurzickstämmigen Driftmarks waren unter den treuesten Familien in seiner Gemeinde, und unter den militärisch aktivsten. Kriegsmeister Rickbert zählte mit einem stattlichen Alter von fünfundsechzig Jahren zu den wenigen Militärs, neben denen der Priester Balthasars sich selbst noch einigermaßen jung fühlen konnte. Ähnlich wie Glenwick war dieser Mann ehemaliger Seraphenoffizier, der internationales Pflaster vorgezogen hatte.
Nachdem der betagte Offizier genüsslich gekaut hatte, begann er, im Rahmen der Sittsamkeit mit seinem Besteck zu gestikulieren, nur um kurz darauf herunter zu schlucken und fortzufahren: "Ich bin mir über die heilige Natur Eurer Mission natürlich im Klaren. Aber es wäre gewiss denkbar, meinen Sohn Richard hier im Fort der Dreifaltigkeit zu behalten. Sein Bruder Riley ist mit mir hier, und wir haben uns lange nicht gesehen."
"Mit Verlaub, Kriegsmeister, ich brauche Männer, denen ich im Kampf vertrauen kann.", entgegnete Dronon, der seinen Blick, welcher für einen Moment zum Fenster abgeschweift war, wieder dem Gesprächspartner zuwandte. Das Büro des Kriegsmeisters befand sich innerhalb von Kastell Aval, nach sylvarischer Redensart auch Caer Aval genannt – der umfangreichen Kommandozentrale von Marschall Trahaerne, der zurzeit in der Silberwüste agierte.
Der Priester war kein Mann, dessen Aufmerksamkeit leicht von einer ernsten Unterredung abglitt. Doch dort draußen, jenseits der Docks, lag die Meerenge der Verwüstung. Und jenseits davon.. die Kathedrale. Die Kathedrale seiner Träume. Die Kathedrale des Glorreichen Sieges. Schauplatz jener bitteren Niederlage, die den Beginn seines jetzigen Daseins markiert hatte.. Er konnte sie von hier aus nicht sehen, aber die Ostküste der orrianischen Halbinsel zeichnete sich als zerklüftete Silhouette in wenigen Meilen Entfernung ab.
Knapp durchschnaufend zog der die Brauen zusammen. "Euer Sohn ist ein loyaler Kämpfer, auch wenn er nicht Eure strategische Brillanz hat, oder die seiner älteren Brüder. Auf diese Bande von Schatzjägern aber kann ich nicht bauen. Wir bilden ein reines Zweckbündnis."
"Taktiker Teskol und seine Recken sind in Eurer Zielgegend im Einsatz. Sie wurden dort mit der Bereinigung verbliebener Auferstandener betraut. Ich bin sicher, dass er Euch unterstützen kann."
"Teskol, ja.." Dronon erinnerte sich gut genug. "Vor vielleicht zwei Monaten fragte er mich, ob ich seinen Einsatz nicht zurück nach Orr begleiten will. Damals musste ich ablehnen. Jetzt.." Jetzt wusste er nicht, was er sagen sollte.
"Das Schicksal.", sinnierte der hochdekorierte Wachsame. "Gewiss hat Gott Balthasar Euch hierher geführt, Priester Dronon."
"Das hat er in der Tat.", entgegnete der Priester, nachdem er sich wieder zu einem Bissen hatte durchringen können. Er verspürte kaum Appetit, was ungewöhnlich war – um seiner Muskelmasse und der hohen Nährstoffverbrennung gerecht zu werden, aß er für gewöhnlich das Doppelte dessen, was ein normaler Mann vertilgen konnte. "Ich vernehme seinen Ruf, und ich folge. Aber diese Mission, dieser Vormarsch, ist auch eine Bürde. Eine Verpflichtung. Wenn ich meinen begleitenden Zaishen hier bei Euch lassen soll, möchte ich zumindest, dass auch die Ausrüstung, die er bewacht, hier für mich verwahrt wird, bis alles erledigt ist."
"Das sollte keine Problematik darstellen, Hochwürden." Klackernd legte das Oberhaupt der Driftmarks Messer und Gabel an den Rand seines leer gegessenen Tellers, griff wieder nach dem Weinglas. "Darf ich fragen, was es mit dieser Ausrüstung auf sich hat?"
"Eine längere Geschichte. Ich will sie Euch erzählen.."