"Ich habe das Töten schon lange nicht mehr so genossen, zugegeben."
Endlich konnte er sich wieder vernünftig bewegen. Mit jeder der selbst für ihn viel zu schweren Stahlplatten, die Driftmark ihm vom Leib nahm, fiel ihm das Atmen und Recken leichter. Zwei Mann hatten ihn stützen müssen, nachdem die Energien der sakralen Panzerung aufgebraucht gewesen waren und er wieder beschränkt war auf das, was seine eigenen Muskeln leisten konnten.
Er konnte nicht anders, als der gewaltigen Brustplatte verlangend nachzusehen, während sein Mitstreiter sich damit abmühte, sie beiseite zu hieven. Blut trocknete daran, das nicht das seine war, und zwei moderate Eindellungen markierten die Stellen, an denen die Kugeln der Piraten jenen Harnisch nicht im Ansatz zu durchdringen vermocht hatten.
Der Effekt war alles gewesen, was Mavey ihm versprochen hatte, und mehr noch als das. Ein Blutrausch, der ihn ganz von alleine packte, eine Hitze, eine Stärke, die weit über das hinausging, was selbst er regulär zu leisten vermochte. Mit jedem zerschmetterten Scharlatan hatte er sich stärker gefühlt, während Funken sprühten und Blut spritzte. Er hatte kaum wahrgenommen, was um ihn herum geschah.
Nun jedoch konnte er nur schnauben. Diese Trumpfkarte war für die Gefahren der voraus liegenden Ungewissheit vorgesehen gewesen, und nun war kein ausreichend mächtiger Feuermagier mehr präsent, um die dem Avatar Balthasars nachempfundene magische Rüstung mit neuer Kraft aufzuladen. Somit war sie für den weiteren Verlauf vollkommen nutzlos geworden.
"War ein verdammt beeindruckender Anblick, das kann ich allemal bestätigen.", erwiderte Driftmark, während er dem Priester zunächst die Kettenhauberke über den Kopf striff und dann den Gambeson aufzuknüpfen begann. "Nur haben die Seemänner Angst davor. Kapitän Shivers ist wohl sauer auf Euch, drei ihrer Männer sind zusätzlich gestorben, weil wir nicht mit den Briganten kooperiert haben. Aber Clyde, der war begeistert, die Rüstung endlich in Aktion zu sehen."
"Bedauerliche Verluste.", entgegnete Dronon trocken. Der Zorn eines Anführers über ausgedünnte Truppen war ihm verständlich – doch Shivers' Erwartungshaltung, sich kampflos ausrauben zu lassen, befremdete ihn. Und so schnaufte er abermals knapp durch. "Aber ein Märtyrertod ist besser für die Seelen der Männer als ein Leben in ohnmächtiger Feigheit." Erst als Driftmark den Gambeson beiseitelegte, gingen ihm die letzten Worte des bleichen Mannes auf. Der Priester engte die Lider, wandte seinen Fokus dem Zaishen zu. "Was soll das heißen, er war begeistert. Er wusste doch Garnichts davon."
"Ehm.. doch, Priester.", gab Driftmark zurück, während er sich voran beugte, um an der Beinpanzerung herumzuwerkeln. "Ich hab' ihm bei 'nem Bier bisschen von Euch erzählt, nachdem ich den Kontakt in Löwenstein ausgehoben hatte. Vor den Gesprä.." Die einfältigen Worte kamen nicht weiter. Überrascht taumelte der Mann zurück, als der wütende Ausbruch des Balthasarpriesters ihn in Gestalt rücksichtslosen Fortstoßens überrumpelte.
"ELENDER NARR!", dröhnte der Kriegshetzer in aufbegehrender Lautstärke. Er brauchte keine magische Rüstung, damit diese Worte ihm den Blutrausch ins Gesicht trieben. Gezwungen presste er die Zähne aufeinander, um den Inhalt seines Fluchens vor der mitgenommenen Schiffsbesatzung draußen zu verbergen. "Diese gierigen Schatzjäger sollten Nichts wissen davon! Balthasar brech' Euch die Knochen, verdammt nochmal."
"Ehm.."
"EHM, EHM, EHM!", blaffte Dronon in nachäffendem Zorn. Die schuldbewusste Verlegenheit dieses gedankenlosen Mannes machte ihn nur umso rasender. Er spürte frischen Schweiß auf der pochenden Hitze seiner Haut, riss die Rechte voran. Das Zittern des eigenen Zeigefingers wusste er zu ignorieren und es damit Driftmarks Aufmerksamkeit zu entziehen, als er diesem damit die Tür wies. "RAUS! Den Rest kann ich SELBST, VERDAMMT! Verschont mich mit Eurer Torheit, und SCHAFFT mir gefälligst diesen Burschen herein."
Der Streiter des Zaishen-Ordens war kein Mann, der auf verbaler Ebene kämpfte. Er verzog angespannt das Gesicht, verkniff sich spürbar Weiteres. Nachdem Driftmark salutiert hatte, wandte er sich der Tür zu, um zu öffnen und auszutreten.
Natürlich war dem Priester bewusst, dass er diese treue Seele harsch beurteilte. Vielleicht zu hart. Er knirschte mit den Zähnen. Nein, es war nicht zu hart. Alles, was den Erfolg der Mission gefährdete, alles was die Pfade Balthasars behinderte, musste mit dem Feuer des Gottes beiseite gefegt werden. Ein flammender Vormarsch konnte keine mangelnde Aufmerksamkeit tolerieren.
Geist und Auge fanden Ablenkung, als schließlich der gewünschte Besucher in die Kajüte trat. Der junge, dunkelhäutige Mann blickte sich zunächst wachsam im Raum um, bevor die Blicke sich kreuzten. Immerhin verfügte da, so schien es, jemand über die nötige Umsicht.
"Ihr seid Mister Hasshadh.", sprach er dem Burschen entgegen. "Korrekt?"
"Aye.", lautete die Antwort, und die skeptische Vorsicht in den Worten war nicht zu verkennen. Die blauen Augen des Eloniers glitten musternd über den Priester Balthasars, der mit blankem, muskelbepacktem Oberkörper dasaß. "Bin'ch. Aber Jendu oder Moa is' mir lieber. Die, ähm.. 'normale' Rüstung hat Euch übrig'ns besser gestanden, heh.. find ich."
Moa., schoss es Dronon durch den Kopf, während er die Stirn furchte und schnaubte. Das also soll mein Cousin sein. Oder mein Neffe zweiten Grades? Nein, dafür erscheint er mir zu alt. Er empfand die Erscheinung unter dieser Betrachtung als unterwältigend, und fühlte sich bestätigt in seiner Überzeugung, dass Blutsbande sich nicht messen konnten mit der Loyalität unter Kriegern.
Jendu Kargah Hasshadh hatte Nichts Kämpferisches an sich. Die eitle Art und Weise, wie er diese schwarz gefärbten Federn um den Hals trug, vermittelte eher etwas Weibisches. Von den geschmacklosen Tätowierungen im Gesicht war garnicht erst zu reden. Dronon beschloss, den Burschen nicht auf seinen Namen anzusprechen. "Was wollten diese Briganten von Euch, Mister Hasshadh?"
"Ich denk, das is' meine Sache. Hab'ch dem Käpt'n auch schon gesagt. Was wollt Ihr von mir, Priester?" Hasshadh beäugte sein Gegenüber mit unverändertem Misstrauen. Doch in den blauen Augen des jungen Mannes konnte der Priester Anzeichen inneren Kampfes lesen. Schließlich folgte die zu erwartende Ergänzung: "Hm.. 'ch denk mal, dass'ch Euch was schulde, dass Ihr meine.. äh.. psychopathische Ex-Freundin umgebracht habt.“
"Wenn Ihr von der Frau im Ätherklingen-Mantel sprecht - sie ist entkommen, mit ein paar anderen. Bevor wir die Enterleinen kappen konnten." Der Kleriker nahm das Abschnallen der Platten schließlich selbst wieder auf. "Aber ich akzeptiere Euer Schuldbewusstsein. Ich habe einen Auftrag für Euch, wenn Ihr Balthasars Absolution erfahren wollt."
Durch seinen beharrlichen Fokus auf das Werk der eignen Hände sah er die Reaktion des tätowierten Eloniers nicht, und verdächtig ruhig wirkte dieser bei der ersten Eröffnung. Doch die Verkündung des Auftrages brachte Leben in den Mann, welcher den Namen seiner Mutter trug. "Äh, nee..neenee.. Moment mal, so war das jetz' nich' gemeint. Ich bin einfach froh am Leben zu sein!"
"Eure Cousine, meine Vollstreckerin, würde sich schämen, von der Feigheit unterrichtet zu werden, die Ihr in den heutigen Kämpfen an den Tag gelegt habt.", schnappte Dronon in einiger Schärfe. Mit jedem gewechselten Satz war ihm jener Bursche unsympathischer. Endgültig härteten sich seine Züge, als er den Blick hob. "Was denkt Ihr, wird sie von Euch denken, wenn sie erfährt, dass Euch jedweder Heldenmut abhanden gekommen ist?"
"Meine Güte.. Was wollt Ihr von mir, Priester?" Nun war es Zorn, den er sah, Zorn, der sich ausbreitete in Hasshadhs Zügen, ärgerlich blitzte in den blauen Augen und den Kiefer unter Spannung brachte. Da wusste der Priester, dass sie eine Verhandlungsbasis hatten.
"Ich möchte, dass Ihr meine Begleiter für mich ausspioniert."
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