Er hörte die Stimme seines Gottes rufen, als er sich mit Wucht über Bord schwang, den Streithammer fest in der gepanzerten Rechten. Den Ruf des Krieges. Den Ruf des Feuers. Sein Geist war rein von allen anderen Gedanken, denn sein Ziel lang klar vor Augen.
Wasser barst um ihn herum auf, seine Stiefel trafen wummernd auf Widerstand, die Rüstung schepperte. Dann begann er kräftig voran zu waten, das Landungsboot hinter sich zurücklassend. Mehrere Soldaten der Wachsamen sprangen mit ihm ins kühle Nass, um das Boot an Land zu zerren.
Alles war wie damals. Wie vor drei Jahren. In seinem Kopf spielte sich alles von vorne ab. Die Landungsfähren, die Soldaten an seiner Seite. Er brüllte ihnen Mut zu, rezitierte die Schrift Balthasars, während links und rechts von ihnen erdrückende Fäulnis und beißende Säure vom Himmel regneten. Hier gab es kein Zurück. Überleben und Sieg waren gleichbedeutend, und der einzige Weg war der nach vorn. Ein Moment voll Nervenkitzel. Ein Moment voll Glorie. Ein Moment voller Tod.
Andere Fähren wurden getroffen und sanken, aber nicht die ihre. Es war der Tag der Offensive, der Gott des Krieges hielt seine Hand über ihn und seine Kameraden. Und doch - zahllose Männer und Frauen fanden ihr Ende an diesem Tag, als sie an Land wateten, hinaus aus der einen Flut und hinein in die nächste. Die Flut aus verwesten, mordlüsternen Leibern.
Nichts war wie damals. Dronon fand sich an Land wieder, mit modrigem aber festem Boden unter den Sohlen seiner Panzerstiefel. Er blinzelte, verschaffte sich einen klaren Kopf. Heute waren es keine Untoten, die ihn an der Schwelle des Jägertisches empfingen. Heute waren es Soldaten des Paktes, die hier ihr Lager aufgeschlagen hatten.
Des Priesters Robensaum troff vor Salzwasser, und an der Plattenpanzerung seiner Beine perlte es ebenfalls herab, als er sich umwandte und zu der Fähre zurück sah. Die Schatzjäger legten weniger blinden Aktionismus an den Tag als er selbst. Keiner der drei war sonderlich angetan gewesen von der Vorstellung, überhaupt hierher zu kommen.
"Weniger unheimlich, als ich es mir vorgestellt hatte.", verkündete Celanry mit ihrem ewigen Schmunzeln. Die Sylvari war die erste von Oxuatls Handlangern, die mit an Land ging, nachdem die Pakt-Recken das Boot vertäut hatten. Clyde folgte vorsichtiger und als Mensch zugleich ehrfürchtiger, während der Tengu keinen Hehl daraus zu machen schien, dass dieses Land ihm zuwider war.
"Ihr hättet diesen Ort vor drei Jahren sehen sollen.", brummte der Priester Balthasars. Er schwenkte seinen Streithammer in knapper Weisung, um alle drei mit sich zu winken. Zahllose Jahre unter Soldaten ließen ihn wissen, wann eine Gruppe von abenteuerlustigen Zivilisten dem militärischen Apparat im Weg stand. "Hier war alles voller Auferstandener. Jeder Zentimeter an Boden, der hier heute frei von ihnen ist, wurde hart und auf Kosten vieler ehrbarer Kriegerleben erkämpft."
"Scheint so, als würd' hier immer noch hart gekämpft.", wandte Clyde ein. Er und seine Kollegen sahen sich aufmerksam um, obwohl sie dem hinkenden Metallmann prompt nachfolgten. Um sie herum, inmitten der stickigen, fauligen Atemluft dieses Landes, herrschte durchaus reges Treiben.
Die frisch angelandeten Soldaten aus dem Fort der Dreifaltigkeit machten sich routiniert daran, ins Lager einzumarschieren und ihre überfälligen Kameraden abzulösen, die sich mit Sack und Pack gen des eingetroffenen Bootes aufmachten. Eine Rotation – auch wenn gewiss jeder der anwesenden Soldaten schon einmal zuvor hier gewesen war.
Der orrianische Eroberungs-Jachthafen beherbergte keinen größeren Stützpunkt des Paktes, tatsächlich war das Umland sogar noch gut von Auferstandenen belebt, wie Dronon wusste. Die Anlegestelle Messingklaue weiter im Norden wäre sicherer und besser besetzt gewesen, aber von hier aus führte der Weg direkt weiter landeinwärts gen ihrer Zielgegend.
Hier war alles gefährlicher, aber er war nicht hierher zurückgekommen, um einen Kampf zu umgehen. Sie passierten einen uniformierten Gerüchte-Lichtbringer, der den Transport einiger Kisten koordinierte, eh der Kleriker schließlich wieder das Wort erhob: "Wir werden von hier aus mit den frisch eingewechselten Soldaten nach Westen durch einen Hügelpass marschieren. Wir gelangen dann zu einem größeren Sammelpunkt des Paktes, der in einer ausgehöhlten Felsformation errichtet wurde. Dieser Standort wird als Operationsbasis für die Kontrolle über den Balthasar-Tempel und das Umland genutzt."
"Ich dachte wir wollen zum Zaishen-Anthenäum." Das war Swift Krummschnabel. Natürlich. Die Laune des Vogelmenschen hatte kontinuierlich abgenommen, je näher sie Orr kamen. Nun da sie hier waren, war das Epizentrum seiner Skepsis scheinbar erreicht.
"Das Anthenäum liegt nicht weit im Norden des Tempels.", gab Dronon zurück, ohne sich umzuwenden. Seine Brauen ruckten dichter zusammen. "Dennoch wird unser Ziel sich noch einen oder zwei Tage gedulden müssen. Ich muss dringend zu dieser Kathedrale."
"Wir haben keine Zeit für Eure Sentimentalität mit den Göttern, die Euer Volk verlassen haben."
Dronon fand sich allem Plattenwerk zum Trotze schneller auf dem Absatz herumgewirbelt wieder, als sein eigener Zorn sich in Gänze entfalten konnte. Selbst der Tengu schien einen solch abrupten Impuls auf seine Worte nicht erwartet zu haben, und verharrte demnach ruckartig mit dem Stoßdorn des Hammers an seiner Kehle.
Doch Krummschnabel war schnell, und so registrierte auch der Priester die scharfe Spitze eines langen Dolches, der eine halbe Handbreite vor seinem Kinn schwebte. Er scheute nicht davor zurück. "Ich werde.. zur Kathedrale gehen.", knurrte er zu dem deutlich größeren, aber schlankeren Wesen hinauf. Sein Griff um die voran gereckte Waffe war wie von selbst so hart geworden, dass er ein Stechen im Handgelenk spürte. Dunkle Augenpaare bohrten sich ineinander. "Und wenn Ihr, Heide, und Eure Freunde nicht mitkommen wollen, dann werdet Ihr am Sammelstützpunkt auf mich warten."
"Hört auf damit." Bevor Paktsoldaten einschreiten konnten, trat Celanry eilends vor und halb zwischen die beiden. Sie klang weniger auffordernd denn viel mehr beschwörend. Der Priester gestattete es, dass sein Hammer sacht nach unten gedrückt wurde, sobald er registrierte, wie auch Swift seine Klinge zurückzog.
"Ein Tag mehr oder weniger bringt uns schon nicht um.", fuhr die Sylvari fort, sobald sie sah, dass sie noch rechtzeitig interveniert hatte.
Keiner der beiden Kämpfer löste den Blick vom jeweils anderen, keiner von ihnen schenkte dem testweise versöhnlichen Lächeln Celanrys irgendeine Beachtung.
Mit jeder Faser seines Körpers verlangte es den Priester Balthasars danach, das Blut dieses frevlerischen Tengu zu vergießen, der auf dem Land der Götter selbst solche Worte zu sprechen wagte. Und er konnte aus Krummschnabels Habichtaugen lesen, dass auch dieser einer Gewalttat nicht abgeneigt war.
Es war einer dieser Momente, in denen ein bloßer Funke genügt hätte, nur ein einziges weiteres Wort am falschen Platz, um blanke Verwüstung folgen zu lassen.
Schlussendlich war es der durchdringende Klang eines Kriegshornes, der sie auseinander brachte. Die Soldaten bliesen zum Aufbruch landeinwärts.
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