Dein Blut ist mein Blut
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„Heute wird es also endlich soweit sein?“ Die Stimme des jungen Mannes überschlug sich regelrecht vor Vorfreude und Hysterie. Gehüllt war er in festen, schwarzen Stoff, auf dessen Brust drei in einem Dreieck angereihten Symbole zu sehen waren. Er war mit drei anderen, ebenfalls berobten Gestalten anwesend, während sie gemeinsam seit Stunden nach Angaben der fünften anwesenden Person mit Kreide Schriftzüge und auch Ritualkreise auf den Boden zeichneten. Oft mussten sie von vorne anfangen, oder aber ihre Arbeiten ausbessern, bis das Gebilde endlich fertig war. „Ja..“, antwortete ihm die fünfte Person gedehnt, die langsam das Pergament in ihrer Hand zusammen rollte. Es war ein vermummter Mann, welchem Leinen das Haupt, die Schultern und auch die Arme vollkommen verdeckt hatten, jedoch jeweils zwei Finger an jeder Hand ausgelassen hatten. Die bequeme, weite Hose raschelte leise, als er langsam durch den Raum ging, während die nackten Füße die Holzdielen lautlos abgingen und am Gürtelbund aufgerollte Pergamente, sowie auch ein schmaler Dolch in lederner Scheide baumelten. „Heute wird es soweit sein.. Bringt sie rein, bringt sie alle rein.. Danach zeige ich Euch das, was Ihr so gerne von mir sehen wolltet..“ Sofort wandten sich die vier Berobten ab und stürmten regelrecht hinaus, während der Vermummte schweigend mitten im Raum stehen blieb und seine Finger über seine nackte, ebenfalls mit Schriftzügen und Linien bemalte Brust wandern ließ.
„Bewegung!“ Die rufende Stimme, welche sich mit anderen wieder dem Raum annäherte, ließ den Vermummten aufhorchen. Dann öffnete sich die Tür. Die Kultisten drängten mehrere, halbnackte Personen unterschiedlichen Alters und Geschlechts in das Gebäude. Geknebelt waren sie, doch sprach der Ausdruck in ihren Augen genug aus: Panik. Die blanke Angst war ihnen ins Gesicht geschrieben, während sie dicht zusammen gedrängt gingen, wie eine aufgeschreckte Herde aus Bachwild. „Was für ein schöner Tag..“, seufzte der Vermummte auf, welcher dann in Richtung der Berobten scheuchte. „Stellt Euch um sie herum.. Drängt sie zusammen, damit das schnell vorüber ist. Ich habe noch anderes mit der angebrochenen Nacht vor.“ „Wir konnten nicht wissen, dass man die anderen Unterschlüpfe so schnell aufdeckt..“, murmelte einer der vier Kultisten, welcher mit seinen Genossen begann die Gefangenen in die Mitte des Raums auf den Beschwörungskreis zu drängen, wobei sie alle keineswegs scheuten Gewalt mit Waffen in Form von Klingen, oder gar Magie anzuwenden, als sich doch so einige nicht mehr herum scheuchen lassen wollten, wie kopflose Hühner. Es brachte sie jedoch nicht weit. Entweder wurden sie mit Hieben und Schlägen zurück geworfen, oder aber von den bereits leuchtenden Linien der Kreidekreise weggestoßen. „Oh.. Nun fangt nicht an Euch herauszureden.. Wenn ich mir den Verlauf so ansehe, dann frage ich mich wirklich, warum ich dieser Einladung überhaupt nachgegangen bin. Es ist offensichtlich und klar, dass dieses Haus hier ebenso schon bekannt ist und alsbald einer Untersuchung zum Opfer fallen wird.“ „Ha, das werden wir noch sehen!“, wurde ihm aufbegehrend entgegnet, während sie es mit der Zeit doch schafften die knapp zwölf Leute einzukesseln. „Nehmt einen Dolch und werft Euer Blut vor Euch auf die Kreise.“, schnarrte der Vermummte, der im Hintergrund langsam in die Hocke ging und bereits mit einem Stück Kreide weiterer Linien aufzumalen begann, welche er mit dem riesigen Zirkel verband. Sogleich wurde auf seine Worte hin reagiert und auch gehandelt. Die vier entnahmen ihren Robenärmeln verdeckte Klingen und öffneten sich mit diesen die linke Handinnenfläche, bevor sie ihr Blut auf die Kreise warfen. Schlagartig wurden jene von Geisterhand mit weiteren Kreisen aus dem geopferten Sekret in Form von parallel angesetzten Schriftzügen übermalt. Auch die vom Vermummten nachträglich angefügten Linien wurden überschrieben, bis das Blut den gesamten beschrieben Raum eingenommen hatte und beim fünften Kultisten ankam. Dieser hob seine linke Hand vor und berührte mit einem leisen Summen die blutige Gravur, die ihre Farbe verlor und versiechte. Nach und nach weitete sich jene Verwesung über das Sekret aus, bis sie die wieder panisch werdenden Gefangenen erreichte.
Der Druck und die schwärende Wärme, welche sich plötzlich im Haus ausbreiteten, waren erschlagend. Die Menschen auf dem Zirkel schrien panisch auf, während sie sich krümmend an den Kopf griffen. Blut rann ihnen zwischen den Fingern hervor, als ihre Trommelfelle platzten und auch die Äderchen in den Augen gab dem nach, was man im restlichen Raum nur im Ansatz mitbekam. Ihre Bäuche blähten sich auf und platzten, während auch die Haut von fleckigen Verfärbungen und Abszessen geplagt wurde, bis sie riss und nässend am lebendigen Leib verfaulte. Sie begannen alle im Zeitraffer zu verwesen, während sich die klebrige Masse über den Boden bahnte und auch die Wände benetzte. Der Gestank verstärkte sich nicht nur ob des Gemischs aus Verwesung, Blut, Exkrementen und Gedärmen, auch die Hitze verstärkte dies übermäßig. Die Holzdielen verfärbten sich und die Fensterscheiben beschlugen unter den fauligen Dunsten. Aufmerksam und mit gierigen Blicken beobachteten die Kultisten das Ergebnis ihrer Arbeit, während die schmerzverzerrten Schreie der Gefangenen in keuchenden Geräuschen untergingen und dann verstummten, als ihre verdrehten Leiber schmatzend aufeinander fielen, wodurch sie sich mitten auf dem gewaltigen Kreis aufhäuften und auch so noch weiter zerbrachen, während sich Harn und Gewebesekret auf dem Boden vermischten und diesen tränkten. Die Luft stand vor lauter Gestank.
Langsam richtete sich der Vermummte wieder auf, während die vier Kultisten fast schon wie neugierige Kinder die Leichen musterten. „Als ob Ihr so etwas noch nie gesehen hättet, stellt Euch nicht so an..“, schnarrte er, woraufhin einer von ihnen aufsah. „Natürlich kennen wir es, wir haben selbst schon genügend Rituale solcher Art praktiziert doch nicht.. so schnell.“ „Und nicht mit so vielen auf einmal.. Maximal zwei und selbst die müssen fixiert sein.“, erhob ein zweiter das Wort, woraufhin die anderen zustimmend nickten. „Ich fühle mich wie eine Aufsichtsperson von Minderjährigen..“, zischte der vermummte Mann, der wie auf einem Trapezseil mit vom Leib gestreckten Armen langsam über die zu ihm gezogene Linie ging. Fraglich, ob er sie nicht verlassen durfte, oder aber nicht verlassen wollte. „Und nun wollt Ihr natürlich sehen, weswegen Ihr mich erst hier her gebeten habt, nicht wahr?“ Er bekam keine Antwort. Stattdessen gingen die Kultisten auf ziemlichen Abstand, während die Gier in ihrem Blick nur immer intensiver wurde. „Dann will ich Euch nicht länger warten lassen.“ Damit blieb er auf der äußersten Linie des gewaltigen Beschwörungskreises stehen und bettete die Hände flach aufeinander, während die Armbeugen stark angewinkelt und waagerecht zu seinen Schultern angehoben waren. Er erstarrte, während sich seine Muskeln allesamt anspannten und der Druck sich nun über den Raum ausbreitete. Es knisterte und knirschte laut, als das Holz nachzugeben begann, ehe sich schwelender Dunst schwärzlicher Farbe von den versifften Leichen abhob und sich dieser über ihnen zu sammeln begann, während er auch über die gezeichneten Linien aus Kreide und Blut kroch, die sich ebenfalls verdunkelten. „Es manifestiert sich..“, wurde erwartungsvoll geflüstert. Der Rauch festigte sich zu einem imposanten, wirbelnden Loch mitten in der Luft, das dort hing wie ein klaffendes, gierendes Maul, das sie zu verschlingen drohte. Doch statt etwas in sich hinein zu saugen, spuckte es etwas aus. Die Minuten streckten sich fast schon quälend langsam, während sich das Loch mit immer mehr von jener dunklen Masse füllte, bevor es instabil wurde und kollabierte. Doch statt sich einfach aufzulösen, manifestierte es sich zu einer neuen Gestalt. Eine gewaltige Bestie aus schwarzer, bulliger Masse. Ihre Hörner ragten ihr von der Stirn vor die rot leuchtenden Augen, doch auch seitlich vom breiten Schädel weg und selbst gebogen über den kräftigen Nacken. Die Klauen der vorderen Pranken schleiften über den Boden und rissen tiefe Kerben in die Holzdielen, während die Hinterläufe von Hufen gezeichnet waren, die wiederum unruhig auf den Boden klopften.
Die Aatxe starrte dem Vermummten entgegen, welcher nur reglos direkt vor ihr stehen blieb, die Arme immer noch angewinkelt und die Hände gefaltet vor seiner Brust. „Sie..“, flüsterte ein Kultist und trat äußerst zögernd näher zu jenem Diener aus der Unterwelt. „.. ist wunderschön..“ „Und sie ist ungebunden.“, murrte der Vermummte, der seine Geste plötzlich auflöste und zurück trat, woraufhin die Kultisten schlagartig zurück sprangen. „Was?“ „Das kann nicht Euer Ernst sein, Herr!“ „Bändigt es!“ Ihre Stimmen überschlugen sich, gingen komplett durcheinander, während die Gier in ihren Augen Unsicherheit und Panik wich. Der Vermummte schnarrte amüsiert, ruckte dann plötzlich mit dem Kopf hoch, als sich an der Decke einige weitere Linien plötzlich erhellten. „Oh.. Heute Nacht schon? Diese Idioten sind weitaus schneller, als ich gedacht habe..“ Er wandte sich den Kultisten wieder zu, die unsicher zu ihm sahen. Ein Heben der Schultern wurde ihnen entgegen gebracht. „Ihr wolltet das Ritual sehen, da habt Ihr es.. und eine Aatxe, die ich Euch schenke.. Nun haltet die Verfolger auf.“ „WAS?!“ Der vermummte Mann wandte sich um und die Bestie begann schlagartig zu toben, als hätte sich dadurch ein Fokus gelöst. Die Kultisten zögerten nicht und begannen mit dem dargebotenen Blut ein Ritual zur Verbannung aufzubereiten, wodurch sich grüne Schlieren auf dem Boden abzeichneten und sogar auf das Untier übergingen, deren Augen sich von einem diabolischen Rot zu einem giftigen Grün abänderten, doch verhinderte dies nicht einmal im Ansatz, dass mit einem Tritt gleich zwei der vier Kultisten der Brustkorb mit feuchtem Knacken eingetreten wurde. Achtlos ließ der Vermummte dies hinter sich, während er eine Falltür im hinteren Teil des Raumes öffnete und darunter verschwand, während er die Bestie und den Verfolgern ihrem Schicksal überließ.
Fast lautlos waren die schnellen Schritte des barfüßigen Mannes, der durch die mit brennenden Fackeln ausgeleuchteten Katakomben stürmte. Ihre Gänge waren unerwartet breit, hätten doch sicherlich drei Menschen nebeneinander darin Platz gefunden und auch zahlreich vorhanden waren sie. Eine externe Person hätte sich haltlos darin verirrt. „Auf was habe ich mich da überhaupt eingelassen.. Diese Deppen hätten mich finden können..“, fluchte er vor sich hin, während sein Griff unter den Gürtelbund fand und dort aufgerollte Pergamente heraus nahm, die mit Kordeln am Stoff befestigt waren. „Sollten sie das überleben..“ „Solltet IHR das überleben!“ Der Vermummte kam schlitternd zum Halt, als sich die bellende Stimme eines Mannes erhob und mit dieser auch seine gerüsteten Umrisse. Die roten Farben der schweren Plattenrüstung sprachen genug aus, genauso wie die Ornamente, die auf jene eingeschlagen worden waren. Vor ihm stand ein Priester des Balthasar. Doch keineswegs war er alleine. Aus den Nebengängen drangen noch weitere gerüstete Männer und Frauen hervor, die ihre Waffen in Form von Schwertern und Streithämmern zogen und selbst in den Schuppenrüstungen samt Farben der Seraphen auftraten. Der Vermummte gab ein tiefes, gedehntes Seufzen von sich, drehte sich langsam in jede Richtung und blickte verdeckt in die Gänge hinein. Er war umstellt. Dann wandte er sich jenem zu, welcher das Wort erhob, doch konnte er außer dem Helm nichts sehen, genauso wie auch bei all den anderen. „Das ist unfair.. Ich kann nicht einmal in das Gesicht meines Gegenübers sehen?“ „Sagt Ihr?“ „Ich sehe schon! Das Gespräch führt zu nichts.“, fauchte der vermummte Mann schnippisch zurück, der den Ritualdolch aus der Scheide nahm und ihn sich quer über den nackten Oberkörper zog. „Kommt schon, oder seid Ihr hier her gekommen, um mit mir einen Plausch zu halten?“ Diese Provokation ließen die Gerüsteten nicht lange auf sich sitzen und stürmten sofort unter laut scheppernden Geräuschen auf ihn zu, während sich der Vermummte die Klinge nur wieder über die Front riss. Sein Blut tropfte ihm auf die Hose und auch auf den Boden hinab, wodurch sich dunkle Flecken abzeichneten und sich langsam ausbreiteten. „Ihr Inquisitoren seid teilweise so.. kurzsichtig.“, seufzte er auf, bevor er mit dem Dolch ausholte und ihn direkt vor sich mit der Klinge voran in den steinigen Boden warf. Kaum war das Metall im Boden versunken, begannen die Wände der Gänge in einem grellen Rot aufzuleuchten. Wieder waren es Linien, wieder Schriftzüge, die nur auf ihre Aktivierung und einen Ruf gewartet hatten. Wie bei einem plötzlich auftretenden Unterdruck deformierten sich die enormen Platten der Angreifer und schlugen in den Leib der Träger ein, die röchelnd aus vollem Lauf auf den Boden stürzten und sich dort krümmten. Der Vermummte kicherte leise ob des Anblicks und schüttelte den verhüllten Kopf. „Ihr glaubtet doch nicht wirklich, dass Ihr mich hier drinn.. einfach so einfangen könnt, oder? Weswegen jagt man mich überhaupt? Habe ich etwas falsches getan?“, erkundigte er sich, während er mit federnden Schritten auf die Gestürzten zuging und einfach über diese lief. „Ihr..“, keuchte eine weibliche Stimme. „Ihr seid ein Anhänger.. eines-“ „Oh nein, nicht EINES..“, seufzte der Vermummte und hielt dabei inne, um jener Sprecherin, auf deren Rücken er just in dem Moment stand, eine tadelnde Geste mit dem rechten Zeigefinger zu erweisen, ehe er doch weiter ging. „Ihr seid.. ein Anhänger.. eines vertriebenen Gottes..“ „Nein, nein.. Keines vertriebenen Gottes.. Dhuum ist immer noch da und immer noch existent..“ Er rutschte von dem Rücken eines ihrer Kameraden herunter und wandte sich ihnen zu. „Doch was wisst Ihr schon, hm?“ Ein lautes, röchelndes Geräusch drang aus der Kehle des Vermummten, dessen Kopf zur Brust fiel und die breite Klinge erspähte, welche sich aus der Mitte dieser bohrte.
Der Soldat drückte die Klinge langsam immer tiefer durch den Brustkorb des Kultisten, dessen Beine stark zu zittern begannen und irgendwann sogar etwas nachgaben, wodurch ihm die Knie einknickten. Dennoch schaffte er es sich oben zu halten, indem er sich gegen eine Wand stützte. „Oh.. Wie.. unerwartet..“, keuchte er unter rasselnden Geräuschen und hustete bronchial, was seinen Körper erzittern ließ und die Bandagen vor seinem verdeckten Mund blutig tränkten. „Eure ketzerische Existenz wird nun beendet und vor Grenth gestellt!“, hörte er die Stimme einer zweiten Frau direkt hinter sich, die genauso wie alle anderen behelmt und schwer gerüstet war, während sie das massive Schwert mit beiden Händen am Griff gepackt hielt, welches den Vermummten durchbohrt hatte. Dieses Mal jedoch war die Rüstung keineswegs rötlich, sondern von einer dunkelgrünen Farbe. Auch die dezenten Verzierungen sprachen Bände und ihre eigene Geschichte. Eine Priesterin des Totengottes Grenth. „Grenth? Für was brauch ich Grenth? Der würde mich doch nur zurück schicken, weil er mich nicht haben will, aber das sieht Dhuum nicht gerne..“, gluckste er auf und festigte seinen Stand, bevor er die Arme waagerecht von sich ausstreckte und mit den Fingern zu den Wänden deutete, deren Schriftzeichen abermals grell zu leuchten begannen. „Vergiss es!“, brüllte die Frau hinter ihm und rammte ihm das Schwert bis zur Parierstange durch den Rumpf, woraufhin er einen würgenden Laut von sich gab und erbebte. „Ich habe mir doch für alle andere Überraschungen ausgedacht!“, fauchte er und verdrehte seine Hände nach hinten, woraufhin sich die Linien ebenfalls versetzten und sich zu bewegen begannen, bis das Leuchten von einem grellen Rot in ein stumpfes Grün überging. „FLÜCHE!“, kreischte die Frau, die mitmal schrill zu kreischen begann, als ihre Rüstung zu rosten begann und verdünntes Blut zwischen den berstenden Platten hervor drang. Kraftlos ließ sie vom Schwert ab und stürzte zu Boden, während die massive Klinge ob des gewaltigen Eigengewichts aus dem Oberkörper des Vermummten rutschte und scheppernd neben ihr zum erliegen kam. „Ihr.. kommt also hier runter und glaubt, dass ich mich nicht vorbereitet hätte? Ich erwarte mehr.. weitaus mehr..“ Langsam wandte er sich um und ging vor dem reglosen Körper in die Hocke, bevor er die rechte Hand ausstreckte und sie der Frau auf das verdeckte Brustbein legte. „Ihr seid doch alle keine Gegner.. Habt Ihr etwa Kinder erwartet, die närrisch irgendwelche Rituale aus gefundenen Büchern ausprobieren wollten?“ Die Rüstung der Soldatin wurde wie im Zeitraffer porös und löste sich auf, während auch ihr gesamter Körper rasant zu verwesen begann. Zeitgleich begann sich die gewaltige Wunde zu schließen, die das Schwert gerissen hatte, während die Nachhut aus drei weiteren Soldaten weit zurück trat. Langsam hob der Vermummte sein Haupt an, als würde er ihnen nachsehen. „Ihr habt Kinder erwartet, nicht wahr?“
Plötzlich sprang er mit Kraft vom Boden ab, löste eine der Pergamentrollen vom Gürtelbund und öffnete das fasrige Papier, das er in seinem Lauf über die beschriebene Wand rieb, wodurch sich die Schriftzeichen und Linien komplett verwischten. Die Gerüsteten hoben ihre Waffen, unnachgiebig in ihrem Bestreben und ihrer Aufgabe, trotz dessen was sich noch vor wenigen Augenblicken direkt vor ihnen abspielten. Wenige Meter bevor der Vermummte bei ihnen ankam füllten sich die Gänge mit lautem Surren und den Körpern unzähliger Schaben und Insekten, die sich wie eine Flut über die Gerüsteten ergossen, die sich zwar dem offenen Gefecht mit dem Kultisten gestellt, doch jedoch nicht mit solch einer Konfrontation gerechnet hatten. Der erste taumelte und wurde Opfer des Vermummten, der mitmal vor ihm stand und mit dem aufgewischten Blut groteske Linien auf seinen Harnisch malte, die schlagartig rot aufleuchteten und den Gerüsteten auf die Knie riss. Ein weiterer erstickte an der Masse an Insekten, die ihm erst die Nasenlöcher und danach den Rachen verstopften, indem sie die Atemwege mit ihren Leibern blockierten, während der letzte von ihnen in der Verwesung durch die restlichen pulsierenden Schriftzeichen verging, genauso wie all jene Insekten, die für diesen letzten Ansturm gerufen wurden. Dann lagen sie erneut dort, all die Toten und Getöteten, grotesk aufgestapelt und versammelt in den Gängen. Langsam drückte der Kultist seinen Rücken durch und schnaufte aus, bevor er den ganzen Weg wieder zurück ging. Der widerliche Sud aus Körpersäften schmatzte und platschte leise unter den Schritten des barfüßigen Mannes, der sich schließlich herunter beugte und seinen Dolch aus dem Boden zog, was zur Folge hatte, dass sämtliche Schriftzeichen und Linien an den steinigen Fassaden verflüssigten und mit zu den Leichen am Boden rannen. „Ich will doch keine Spuren hinterlassen, wer wäre ich..“, raunte er sich leise zu und verließ die Katakomben hinter den Kadavern der Nachhut durch eine weitere Falltür.