Unentschieden
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„Wie lange beobachtet er uns jetzt schon und warum kommt er nicht runter?“ Die Worte Kassis' gingen Dogrem nun schon länger durch den Kopf und er konnte diese Frage beim besten Willen nicht beantworten. Nicht einmal für sich. Seit über zwei Stunden standen sie nun an diesem unteren Ende des Hangs. Die Vegetation der Umgebung war steinig, äußerst rau und trocken. Dennoch schlichen sich einige Wurzeln und Streben grün über das fade Grau, um somit nicht gerade wenig Leben in die Szenerie zu bringen. Eine Narbe in der Landschaft trennte den Grund auf, einen schwarzen Schlund darbietend. Nicht wenige Meter wohl und vielleicht gar ein sicherer Tod, wäre man in das erdige Maul gestürzt. Der Hang führte noch einige Meter hinauf und zog die Kluft ebenso nach oben, während man in weiter Ferne und mit einigen Höhenmetern Unterschied Fort Salma hat ausmachen können. Je nachdem wie man den Kopf drehte, konnte man über das Königintal und die Kessex-Hügel sehen. Sie wurden mit den Augenblicken immer mehr von den ersten, zaghaften Sonnenstrahlen erfasst, die den neuen Tag ankündigten. Kurz trat Dogrem mit den Sohlen stärker auf, als ihm die Beine einzuschlafen drohten, während er mit Kassis darauf wartete, dass ihr stiller Beobachter endlich näher kam. Jacob hatte den Mesmer also erreicht, welcher seit geraumer Zeit einfach nur auf einer Klippe fernab ihrer Reichweite saß. „Er wird sich auf etwas vorbereiten..“, murmelte Kassis dann mitmal. Ein überraschend logischer Gedankengang, was den Attentäter dazu veranlasste kurz mit der Braue zu zucken. „Das kann gut sein..“ Eine stärkere Windbö pfiff an ihnen vorbei, ließ die Schlucht direkt vor ihnen laut aufjaulen. Ein Geräusch so laut, dass das sonst immer leise Knistern verschluckt wurde, welches sonst immer die Fertigkeiten des Mesmers ankündigte. Nur dieses Mal nicht. Als ob er schon die gesamte Zeit da war, stand Cornerstone nun mitmal ihnen gegenüber auf der anderen Seite der Schlucht, die Augen verengt und das Gesicht immer noch so verschwitzt und müde, wie die Tage zuvor bereits.
„Huch!“, kam es mit einem erschrockenen Laut von Kassis, der sich etwas hinter Dogrem stellte. Nützte leider nichts, da er den Attentäter mit über einem Kopf überragte. „Na.. Für die Verhandlung endlich da, du elendiger Feigling?!“, feixte der Kultist, welcher dem Mesmer mit geballter und schüttelnder Faust eine Drohgebärde entgegen brachte. „Wer von uns beiden versteckt sich denn gerade?“, fauchte Cornerstone zurück, woraufhin sich Dogrem dezent räusperte. „Ignorier' ihn einfach..“ „Mache ich.“ „He!“ Damit fixierte der Mesmer den Attentäter, welcher die Arme vor der Brust verschränkte. „Dein Anliegen, dein Angebot.“ „Ich will in deinen Unterschlupf und den Gefangenen suchen.“ „Das kannst du vergess-!“ „Was bietest du an?“ „Sämtliche Informationen über die Leute, die ihr sucht.“ „Obwohl, das hört sich-“ „Bist du dir sicher, dass du weißt um wen es überhaupt geht?“ „Natürlich weiß ich das.. Ich verdiene mit meinem Wissen.“ „Er weiß um was es geht?! Wir müssen ihn sofort tö-!“ „Dann sind wir uns einig.. Hol ihn raus, aber sei dir der Konsequenzen bewusst.“ „Haben wir etwa schon einen Handel mit ihm?“ Ein tosendes Bersten in nicht all zu weiter Ferne am anderen Ende der Schlucht über ihnen ließ sie aufsehen. Eine Steinwand war nach außen in die Gegend aufgerissen worden, spuckte Kiesel und Dreck hinaus, wodurch auch Unmengen an Staub aufgewirbelt wurden, die die Sicht verklärten. Aus jenem aufgewühlten Dreck fiel ein Körper. Die zerstörte Rüstung klaffte zwar von Dreck, doch war die rote Farbe aussagekräftig genug, genauso die hellen und langen Haare des Mannes. Es war der entführte Zaishen. Mit einem scheppernden Geräusch schlug er auf dem Boden auf, nur um sofort die Unterarme schützend über sich zu heben, woraufhin sich eine bläulich schimmernde Barriere über ihn aufbaute. Der Rauch waberte auf und warf sich plötzlich auf ihn, als würde das Erdreich selbst ihn nicht hergeben wollen. Ein weiteres, laut berstendes Geräusch zerschnitt dann mitmal die verhüllende Wolke aus Staub und Dreck, woraufhin sich auch eine zweite Gestalt in roter Rüstung abzeichnete. Voreilig hätte man auf einen weiteren Zaishen oder aber einen Diener Balthasars schließen können, wären da nicht viele verneinende Anzeichen gewesen, gerade die gehörnten Schädel welche die monströs anmutenden Schulterplatten ausmachten und sogar den Helm selbst zu einer dämonischen Fratze werden ließen, während rötliche Zeichen grell leuchteten. Eine schrecklich unhandlich wirkende Axt hatte ihre unstet flimmernden Klingen in die Barriere geschlagen, welche immer unruhiger wurde. Auf den Anblick dieser beider Gestalten ließ Kassis plötzlich ein schrilles Kreischen von sich hören, woraufhin Dogrem die Brauen zusammen zog, als ihn das nachhaltige Piepen in seinem rechten Ohr nicht in Ruhe lassen wollte, bevor sein Blick erneut den des Mesmers fand. „Damit ist unser Handel wohl beendet, hm?“ „Damit hast du ausnahmsweise mal recht..“ Cornerstones Körper zersprang zeitgleich mit Dogrems Körper, welcher sich in dunkle Schlieren hüllte, in feinste Kristalle. Kassis wandte sich herum und starrte aus verdecktem Blick zu jener übermäßig gerüsteten Gestalt hinauf. „TÖTE IHN!“
Die Axt wurde von der Barriere gehoben.
Direkt über der gerüsteten Gestalt erschien Cornerstone, der mit gezogener Klinge nach dem Kopf des Axtträgers schlug. Jener wurde von dem Angreifer angehoben, aus den Sichtschlitzen zum Mesmer gestarrt, welcher ebenfalls der Fokus des Zaishen wurde. „Du!“ „Ja, gleich.“, raunte Cornerstone, der den Blick auf die nach ihm schwingende Axt richtete. Die Schneiden waberten wie Rauch, wirkten unstet und flüchtig. Die Flügelklinge wurde am Bauch schmaler, nur um sich auf dem trachtenden Rücken zu verlängern. „Das kann doch nicht-!“, blaffte der Mesmer ob jenes Schauspieles, welches sich direkt unter ihm zeigte. Die massive Waffe wurde etwas an- und hochgeworfen, dann mit versetzten Plattenhänden gepackt und mit einem Querhieb nach Cornerstone geschwungen. Die Bewegungen waren viel zu fließend, viel zu leicht für den ganzen trägen Stahl am Leib. Der Mesmer warf sein Schwert nach unten zum Boden und löste sich auf, bevor die Klinge der Axt durch ihn schwang. Erneut das Bersten. Einige wenige Meter neben dem Zaishen kam Cornerstone auf dem Boden auf, sah über die Schulter hinter sich und erstarrte. Der Schwung der unsteten Klinge hatte die felsige Wand in einigen Metern Entfernung ebenfalls aufgerissen.
Die Axt wurde zum Schlag ausgeholt.
Der Blick des Mesmers zuckte zu der wabernden Klinge hinauf, die sich am Bauch wieder weitaus steter und schwerer sammelte, als am Rücken, bevor sie wie ein Fallbeil auf beide hinab raste. „Weg!“, brüllte Thrymaer, woraufhin Cornerstone seine Klinge aus dem Boden riss und weit zurück sprang, damit er der Waffe entgehen möge. Jene schlug erneut tosend auf die neu aufgezogene Barriere ein, die stark erzitterte. Man konnte den Druck regelrecht sehen, der sich zwischen Boden und gezogenem Schutz bewegte, nur um letzten Endes den steinigen Grund aufzureißen, was auch gefährlich in die Richtung des Mesmers zog, der nun zu langsam reagierte. Die Fehleinschätzung kostete ihm beinahe den linken Arm, als es ihm unter diesem nicht nur ob des Schlags den Untergrund wegnahm, sondern ihm auch noch eine tiefe Kerbe in die Schulter schlug, woraufhin er schmerzhaft aufbrüllte. Benommen hob er seinen Blick über sich an und nahm verschwommen die Umrisse Dogrems wahr, der sein Schwert zum Schlag anhob, während Thrymaer im Hintergrund Blut spuckte und die Barriere fallen ließ.
Die Axt wurde angehoben.
Cornerstone drückte sich auf die Beine hoch, nur um unter sich zu sehen, als sein eigenes Blut auf dem Boden mitmal zu leuchten begann. „Verdammt!“, fluchte er auf und sprang zur Seite, sich dabei abermals auflösend. Dogrem drehte sich schlagartig zur Seite, wodurch die enorme Hitze – welche dem Blut mitmal entsprang – an ihm vorbei geiferte. Den Blick richtete er entnervt zu Kassis runter, der unwissend die Schultern samt angewinkelten Armen anhob und den Kopf schief neigte. „Hätte doch klappen können!“ „Du hättest fast mich erwischt..“ „Mein ich doch!“ Noch ein genervter Seitenblick, bevor sich der Attentäter umwandte und zu dem gerüsteten Ungetüm sah, welches binnen weniger Augenblicke von gleich drei Mesmern umzingelt wurde, die es von verschiedenen Positionen aus mit gezogenen Schwertern angriffen. „Vorsicht!“, kreischte Kassis, welcher zum Kampf aufschloss. Der Hüne gab ein tiefes, metallenes Schnaufen von sich, was die eigene Rüstung erschütterte. Erneut wurde die Axt mit unmenschlicher Leichtigkeit angehoben, versetzt gepackt und dann mit einer Drehung um die eigene Achse einmal im Kreis geschwungen. Nicht nur, dass es gleich alle drei Mesmer erwischte und diese allesamt erledigte, woraufhin sie gleichermaßen in Kristalle zersprangen, nein. Erneut wurde die Umgebung zerteilt, als würde die Axt die Luft selbst mit jener Kraft zerschneiden und damit noch entfernte Objekte treffen. Das war wohl auch der Grund, weswegen Dogrem sich regelrecht auf den Boden schmiss, als die Axt in seine Richtung pendelte. Kassis reagierte überhaupt nicht. Mit einem dumpfen Keuchen nahm er den Hieb hin, der ihm den Rumpf aufriss und ihn von den Beinen fegte, bevor er in die Tiefe der Schlucht stürzte. „Zumindest ein Gutes..“, grummelte der Attentäter, der sich langsam wieder auf die Beine rappelte. Das gerüstete Wesen ließ es sich nicht nehmen der Anordnung des Kultisten nachzukommen und erneut mit der unsteten Klinge nach dem Zaishen zu hieben, der gerade noch so dazu kam den linken Unterarm über sich zu heben, damit zumindest der Hauch einer Barriere entstehen konnte. Dennoch war er viel zu langsam. Die Wucht zerschlug den geisterhaften Schutz und ihm den Schädel samt den Harnisch. Ein ermattendes Zucken durchfuhr den alten Soldaten, der daraufhin reglos auf dem Boden in seinem eigenen sich ausbreitenden Blut lag, der Blick aus dem verbliebenen Auge starr in die Leere gerichtet.
„Und jetzt zu dir!“, brüllte das Ungetüm metallisch auf, als hätte man es im Kampf mit diesem mit einer Maschine zu tun gehabt, die auf dem Schlachtfeld für den sicheren Sieg gesorgt hätte. Dogrem zuckte bei der Stimme unmerklich zusammen, nur um schlagartig die Klingen zu seinem eigenen Hals hoch zu heben, als er das feine Gespinst vor sich sah, welches das fahle Sonnenlicht nur ganz zart reflektierte. In der Nacht wäre dies sein sicherer Tod gewesen. Die Dolche verzahnten sich in einer zuziehenden Drahtschlaufe und trennten diese auf, bevor er sich umwandte und von oben nach unten herab zuschlug. Erneut ein Brüllen des Mesmers, als es nun beide Hände erwischte, die er zum Schutz über sich hob. Die Waffen Dogrems leuchteten unheilvoll auf, während der Attentäter seinem Gegenüber böswillig entgegen grinste. „Du wirst deine Hände verlieren..“ „Und du deinen Kopf.“ Wieder jene ungeheuer gute Reaktion, welche Dogrem erneut das Überleben versicherte. Er riss Cornerstone die Klingen aus den Händen und löste sich just in dem Moment auf, in welchem das Großschwert einer Illusion durch ihn durchgeschlagen hätte. Stattdessen riss sie dem Rufer selbst durch das Gesicht und verpasste Kapuze samt der linken Wange eine tiefe Kerbe. „Fast.“, schnaufte er aus, nur um den Blick zu jener gerüsteten Gestalt zu heben, welche mit dem Tod des Zaishen sichergehen wollte und bereits die Klinge zum erneuten Schlag anhob. „Vergiss es..“
Die Axt schlug zu.
Cornerstone preschte voran, ließ die zerspringende Illusion zurück und zog zwei kleine Klingen unter dem Mantel hervor, wovon er eine mit Wucht nach dem Axtträger warf, nur um erneut zur Seite zu springen, als plötzlich Dogrem vor ihm erschien und abermals mit den Dolchen nach ihm schlug. „Komm her!“, brüllte er, löste sich auf und hetzte ihm hinterher, nur um selbst in die Defensive zu gehen, als das Schwert einer weiteren Illusion nach seinem Leben trachtete. Binnen eines Sekundenbruchteils hatte sich der Mesmer die benötigte Rückendeckung verschaffen, um seine Position zu jener der geworfenen Klinge zu versetzen, bevor er die letzte Distanz zu dem Riesen mit einem Hechtsprung überbrückte und die zweite Klinge nach Thrymaer warf. Er konnte den Blick über sich spüren. Es war grauenhaft. Dann, mit einem dumpfen Geräusch, verschwanden er und das Unwesen und erschienen an jenem Ort, an welchem Cornerstone dem Attentäter zum ersten Mal entkam und ob der Axt Blut lassen musste. Ein tiefes Grollen entkam dem wütenden Berserker in roter Platte, der daraufhin nach dem Mesmer schlug, welcher sich nur wieder auflöste und nun bei der zweiten Klinge erschien. „Du entkommst mir nicht!“, blaffte Dogrem, als er mit ansehen musste, wie Cornerstone sich den Zaishen griff und mit ihm verschwand, woraufhin sich auch die Illusion auflöste und wenige Augenblicke später auch der Attentäter. Allein inmitten von Zerstörung und Blut stand dann das Unwesen, welches die Axt senkte und dann langsam zur Schlucht ging, während die Klinge über den Boden wetzte und unter leisem Kreischen Funken sprühen ließ. Das Metall festigte sich wieder um das kreisrunde Ende des breiten Stiels, welches einen weiteren Schädel umzäumte. Statt den unsteten Schlieren lagen nun weiße Runen auf, welche wohl für jene unstete Masse der Klingen sorgte. Mit einem Schnauben blieb der Hüne dann vor der Schlucht stehen, neigte das Haupt mit dem gehörnten Helm runter und sah Kassis entgegen, der nach oben geklettert war und nun den Blick zu erwidern schien. „Hilf mir, bitte..“, nuschelte er dann eher kleinlaut. Ein bestätigendes Grummeln kam zur Antwort, bevor sich der Gerüstete herunter beugte, den Kultisten unter der Schulter packte und ihn wie eine Puppe nach oben zog. „Schön, dass du wieder da bist.“, gluckste jener amüsiert, bevor er einfach wie ein eingerollter Teppich unter den freien Arm geklemmt und in das Loch in der Steinwand getragen wurde, aus welchem der Zaishen und sein Verfolger erst gekommen waren.
„Bleib mir einfach fern!“, brüllte Cornerstone über die Schulter, nur um den Blick wieder angestrengt vor sich zu schwenken. Nicht nur war es ihm so schon kaum mehr möglich sich auf den Beinen zu halten, ohne sich zuvor mit unnötig vielen Vorbereitungen die Existenz abzusichern, nun musste er noch mit einem nicht unerheblich schweren Ballast vor einer Person flüchten, die im Moment einen gefährlichen Vorteil genoss. „Lass ihn liegen und du entkommst!“, hörte er Dogrem mit einer derartigen Stärke in seiner Stimme, als stünde er direkt hinter ihm und würde ihm ins Ohr brüllen. „Vergiss es..“, schnaufte der Mesmer darauf, nur um dann auf seine Chance des Erfolgs zu sehen. Es war riskant und äußerst gefährlich, doch welche Möglichkeiten hatte er sonst noch gehabt, um sowohl sich, als auch den Zaishen in Sicherheit zu bringen. Keine. Kurz stolperte er, fing sich jedoch noch mit der freien Hand ab und schulterte den reglosen Körper vermehrt auf, damit er nicht wegrutschen möge, ehe er sich mit diesem einfach auflöste. „Billig!“, kommentierte Dogrem, der eben zu jenem Punkt hetzte, an welchem der Mesmer den Boden mit der Hand berührte, nur um sich mitmal inmitten sumpfigen Gewässers vorzufinden. Sein Blick hob sich ob des laut fauchenden Geräusches neben sich. Ein Krait. Er war umzingelt von diesen Wesen. „WAS?!“ Sein Blick hob sich noch weiter und fixierte jenes unheilige Gebilde, welches sich gen Himmel streckte. Der Turm der Albträume. „VERFLUCHT!“, brüllte er und setzte sofort den Rückzug an, nur um doch noch einmal den Blick über die Schulter zu richten, um den Umrissen des Mesmers nachzusehen, der in die vollkommen andere Richtung stürmte. „Elendiger..“