Eis
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Schweigend stand er dort. Reglos. Das leise Plätschern von Wasser, welches ihm trotz der massiven, geschlossenen Rüstung bis unter die Knie stand, störte ihn in keinster Weise. Immer wieder war es mal ein Frosch, oder aber ein anderes, kleines Lebewesen das neugierig unter der Oberfläche hervor lugte und doch erneut das Weite suchte. Es war bitterkalt. Die Luft biss entweder aufgrund der extremen Kühle, oder aber ob des fauligen Gestanks eines Moors. Der Gottlose Sumpf war ruhig und doch so von Unheil verzerrt, dass er sich die Frage seiner Anwesenheit wohl nicht einmal selbst beantworten konnte. Dennoch stand er dort. Jener große Mann in von dem späten Abend verdunkelter Rüstung, der seine Arme vor der breiten Brust verschränkt hatte und den Blick aus dunklen Augen auf das Wasser gerichtet hatte. Lang, unregelmäßig und vermeintlich ungezähmt hingen ihm die schwarzen Haare ins markante Gesicht und vor die Augen. Es hatte etwas wildes. Auf dem Rücken ruhte ein Beidhänder in lederner Scheide deren Riemen sich straff über seine Front zogen. Zerschlagene und gerissene Fetzen hingen von seinem Gürtel, an welchem sowohl zwei Dolche, zwei Wasserschläuche, als auch ein fester Spangenhelm an Haken ruhten. In den Tiefen des Sees dort vor ihm stand reglos eine von vier Statuen die nach all der Zeit noch sichtbar waren. Es war die Statue des Grenth, die dort lauerte und der Dinge harrte, welche dort noch auf sie zukommen möge. Langsam atmete er aus, darauf bedacht, dass es nicht zu einem Seufzen ausartete. Wie einer von vielen toten Bäumen weilte er bereits und rührte sich erst ein Stück, als er Stimmen vernahm, die sich hinter ihm in weiter Ferne annäherten. „Hm.“, kam es monoton in einem tiefen Stimmfall, ehe er die Arme langsam aus der Verschränkung löste und sich umzudrehen begann, um die Gesichter zu jenen Stimmen auszumachen.
„Wir machen das noch einmal.. weswegen?“ Dogrem wirkte keineswegs überzeugt von der Entscheidung im Sumpf umher zu laufen. Wie so üblich steckte er sich eine Zigarette an, als würde er jede Möglichkeit in Erwägung ziehen 'seinem' Gott näher zu kommen, als ihm überhaupt lieb war. „Noch einmal..“, zischte Kassis, der neben ihm herlief und es augenscheinlich schaffte mit seiner bloßen Anwesenheit jedes noch so nachtblinde Tierchen in die Flucht zu schlagen. Außer den eigenen Schritten, die das Wasser klatschend aufwühlten, gab es neben ihrem Gespräch kein einziges Geräusch, welches ihre Aufmerksamkeit hätte fordern können. Nicht einmal das Halbschwert, das an der rechten Seite des Gürtelbundes des Attentäters hing und bei jedem Schritt über den Oberschenkel des Mannes rieb, verursachte einen Laut. Es war alles unnatürlich still. So unnatürlich wie die gesamte Umgebung. „Wir gehen zu diesem.. Ding..“ „Senke.“ „LASS MICH AUSREDEN!.. Zu diesem Ding also.. und dann tauchen wir runter..“ Ganz langsam neigte Kassis dabei den Oberkörper zur Seite, wobei er all seine Worte mit merkwürdig grotesken Bewegungen der Finger untermalte. „.. und dann sammeln wir uns Steine..“ Ruckartig richtete er sich auf und wandte das Gesicht zu Dogrem, der mit herunter gezogenen Brauen auf seiner Zigarette kaute, als wäre er dem bloßen rauchenden Verzehr dieser aufgrund des Themas komplett überdrüssig geworden. „Mhm?“, kam es brummend von ihm, was von einem „Leuchtende Steine!“ durch Kassis übertönt wurde. „Warum leuchten sie?“ „Reste von göttlicher Magie.. Und warum sie nicht ausnutzen?“ „Ich hoffe du sprichst von der Magie..“ „Natürlich spreche ich von der Magie! Was soll ich mit leuchtenden Steinen wollen?!“ Dogrem blieb abrupt stehen und zog die Brauen sogar noch weiter runter, als ohnehin schon. „Wie.. sicher.. bist du dir mit der Aussage?“ Kassis blieb einige Meter weiter selbst stehen und drehte sich mit schief geneigtem Kopf zu ihm herum. „Uhm..“ „Kassis! Mehr Nachforschungen, bevor du uns durch die halbe Weltgeschichte schleifst!“ „Was soll es denn anderes sein? Es sind Götterstatuen! Glaubst du etwa, dass da.. was weiß ich.. Asura-Technologie drinn steckt, damit es leuchtet?“ Dogrem schnaubte aus und schüttelte nur angedeutet den Kopf. „Auf so einen Schwachsinn würden nicht einmal sie kommen..“ „Genau deswegen waren es die Sechs.“, feixte Kassis mit einer Selbstverständlichkeit in der Stimme, welche man wirklich nur ihm hätte zusprechen können. Dann wandte sich der Vermummte wieder ab und stolzierte den Morast weiter, nur um doch wieder langsamer zu werden. Dogrem, der gemächlich hinterher schlenderte, konnte somit mühelos aufholen und gab dies auch mit einem Brummen zur Kenntnis. „Was ist denn jetzt los?“, erkundigte er sich anbei und warf ihm einen knappen Seitenblick zu. Kassis schnaufte langsam aus, ehe er schließlich doch stehen blieb und mit einem Nicken in die Ferne deutete. „Das ist los.“ Dogrem blickte auf den Deut hin wieder nach vorne und zog die Luft scharf zwischen den Zähnen ein, als er realisierte, dass sie unlängst beobachtet wurden. „Warum sagst du das nicht vorher..“, zischte er ihm verbissen zu und griff sich an den Nacken, um die Kapuze über sein Haupt zu ziehen, während die andere Hand einen festen Schal unter dem Kragen hervor zog und diesen bis über das Nasenbein zu ziehen. Sogar die Augen lagen nun komplett im Schattenwurf. Kassis gab ein leises Zungenschnalzen als Antwort zurück, ehe er direkt auf die Gestalt zuging, die sie offenbar schon länger beobachtete.
Mit jedem Schritt näher an jene Person heran verengte Dogrem seine Augen mehr. Seine Atmung wurde immer bestimmter und fester, während sich die Umrisse der Rüstung des Mannes vor ihnen immer schärfer abzeichnete. Feste Platte, so hätte er getippt. Keineswegs durchgehend, denn das wäre höchstens bei der schwersten Infanterie anzutreffen gewesen, jedoch nicht inmitten eines Sumpfes. Das wäre blanker Selbstmord. Bei einem Kampf hätte man sich damit nicht flexibel genug bewegen können. Die überlappenden Elemente auf dem Harnisch sprachen nur umso mehr dafür, dass der Attentäter in seinen Vermutungen richtig lag. Wieder brummte er verstimmt. „Er gefällt mir nicht.“, schnaubte er aus und griff nach vorne, um Kassis' Handgelenk zu packen, woraufhin der Vermummte sofort stehen blieb. „Warum nicht? Kennst du ihn? Schuldest du ihm Geld?“, feixte Kassis zurück, neigte allerdings den Kopf ein Stück auf die rechte Seite schief, als er von Dogrem nicht eine erwartete Reaktion in Form eines giftigen Kommentars oder aber eines Blickes abbekam. Der Attentäter schwieg stattdessen noch einige Momente weiter, ehe er langsam vom Handgelenk des Kultisten abließ und seine breiten Schultern nach hinten rollte. „Diese Haltung, dieser Ausdruck, diese falsche Ruhe.. Das ist ein Soldat.“ „Nur? Hah! Dann geht das schnell!“ Plötzlich spurtete Kassis los. Dogrem zuckte regelrecht zusammen, als er die Offensive des Kollegen mitbekam. „Bist du bescheuert?!“, keuchte er halblaut auf und stürmte ihm dann hinterher. Ein Griff mit beiden Händen unter seinen Mantel, der hinter ihm aufwallte und schon hatte er seine Dolche. Ihre Klingen standen ihm zu den Unterarmen ab und der Griffknauf saß damit über den Daumenballen. Er beschleunigte seinen Gang enorm und doch konnte er Kassis nicht einmal im Ansatz einholen. Der Vermummte war ihm in Sachen Geschwindigkeit eindeutig überlegen. Nach kaum sechs Sekunden hatte er bereits die Distanz zum gerüsteten Mann hinter sich gelassen, der seine Augen immer mehr verengte und nun erstmals eine Reaktion von sich zeigte. Er verlagerte das linke Bein nach hinten zum Stand und ging mit dem Oberkörper einen kleinen Deut nach vorne über. Die Schultern wurden hochgezogen und auch die Hände, deren Finger sich wie Klauen öffneten und spreizten, hoben sich. Kassis sprang ab und überbrückte damit die letzten fünf Meter mit einem beachtlich hohen Hechtsprung, die Körperhaltung fernab jeder Bewegung, die man als menschlich hätte erachten können. „Verfluchter Irrer!“, blaffte der Attentäter, doch wurden seine Worte von einem plötzlichen, lauten Knirschen gefressen. Sein Blick zuckte zum Wasser, welches in einem rasanten Tempo komplett zu gefrieren begann, bis das durchsichtige Nass eine gängig weiße Fläche war. Dogrem konnte schnell genug reagieren, um auf das Eis zu springen, bevor es sich um seine Stiefel schloss und ihn somit fixierte, während der Soldat sich festen Schrittes eben darauf stellte und dem Vermummten in seinem Angriff auch noch entgegen kam. Ein leises Pfeifen. Mit einer reflexartigen Bewegung fing der Soldat eine Wurfklinge aus der Luft ab. Dogrem hatte seinen Dolch aus der Nebenhand auf ihn geworfen, gab allerdings ein tiefes Grunzen von sich, als er realisierte, dass das überhaupt nicht so funktioniert hatte, wie er es erwog. Wie ein geworfener Sack Kartoffeln wurde Kassis regelrecht nebenbei aus dem Sprung aufgegriffen, woraufhin ihm nur ein leises, aber verdutztes „Hum?“ entkam. Eine Halbdrehung des Soldaten, der ihn mit Wucht nach dem Attentäter warf. Dessen Umrisse verzerrten sich für einen kurzen Moment, weswegen der Vermummte einfach durch ihn stürzte und sich in einem athletischen Akt auf dem blanken Eis abfing, indem er sich abrollte und in der Hocke wieder zum Halt kam, zurück zu weichen, als Dogrem, welcher nach dem Wurf des Kultisten direkt vor dem Soldaten erschien und von eben jenem mit einem brachialen Kraftakt zurück gestoßen wurde. „Soldat, ja?“, feixte der Vermummte recht verbissen, während sich der Attentäter grummelnd aufrichtete und schweigend beobachtete, wie ihr gemeinsamer Kontrahent den abgefangenen Dolch vor sich hob und in Ruhe zu mustern begann. „Wenn du gleich so überstürzt in den Kampf springst, dann ist dir wirklich nicht zu helfen..“, fauchte der zweite Aufseher angefressen zurück. „Er hat uns eindeutig zu lange beobachten können.. Er kennt unser Bewegungsmuster und jetzt auch noch unsere Angriffsprivilegien.“ Ein tiefes Seufzen dann. „Und natürlich meine Waffen.. Verdammt.“
Wie in Ekstase begann Kassis mit seinen Fingern auf dem Wasser zu trommeln, während Dogrem einfach schweigend dort stand und den Soldaten dabei beobachtete, wie er die fremde Waffe musterte. Dann, nach Minuten, entkam dem Gerüsteten ein geschnaubtes, monotones „Hm.“, ehe er aufblickte und zu den beiden Kultisten sah, die den Blick fest aber verdeckt zu entgegnen schienen. Mit einer Bewegung des Handgelenks aus dem Heben des Unterarms heraus warf er den Dolch schließlich zurück, wobei sich die Klinge einige wenige Male überschlug und schließlich einen halben Meter vor dem Attentäter ins Eis einschlug. Dogrem gab ein Murren von sich, trat vor und entriss dem gefrorenen Wasser seine Waffe. Aufgerichtet entbot er dem Kontrahenten einen legeren Salut, indem er Zeige- und Mittelfinger von der geballten, rechten Faust streckte und sich damit flüchtig an den Kapuzensaum tippte. Der Soldat erwiderte die Geste mit einem angedeuteten Hochnicken. „Zumindest hat er Anstand..“, murmelte der Kultist, woraufhin Kassis wie irre zu kichern begann. „Er hat gleich ein Loch im Bauch.. und im Kopf.. und in den Schultern.. Lenk' ihn ab! Ich muss nur nahe genug ran.“ „Kannst du nicht einfach auf die erloschenen Portale zugreifen? Das würde uns verdammt viel Zeit und Nerven sparen..“ „Doch schon, aber dafür müsstest du ihn noch länger ablenken, als ohnehin schon..“, grummelte Kassis, der seinen Oberkörper wieder aufrichtete und einfach auf dem Eis hocken blieb, als wäre er gegen die davon ausgehende beißende Kälte immun gewesen. „Ich muss ihn nur einmal berühren, dann ist alles vorbei.“ „Ich denke nicht, dass es schlau wäre noch einen Angriff gegen ihn anzugehen, aber warum nicht.. Du wolltest schließlich hier her, nicht ich.“ „Kleine Memme! Was kann schon passieren?“ „Wir könnten sterben.“ Sie schwiegen einen Moment, während der Soldat den Spangenhelm vom Gürtelhaken nahm und ihn über sein Haupt streifte. „Der Kerl macht sich bereit..“ „Bereit zum sterben, will ich hoffen!“ Dogrem drehte den Kopf langsam zur Seite, als sich der Vermummte bereits wieder daran machte in den Angriff überzugehen. „Hörst du mir eigentlich zu?“ „Töten wir ihn, bevor er uns tötet!“ Schon spurtete Kassis los – zum Leidwesen Dogrems. Jener gab nur ein weiteres, tiefes Seufzen von sich und rannte ihm doch wieder hinterher.
Die selbe Aufstellung, der selbe Angriff. Wieder sprang der Vermummte ab und griff so äußerst direkt wie auch rabiat an, während sich Dogrem komplett auf seine Waffen verließ, die er dieses Mal nicht warf, sondern bei sich behielt. Dem Soldaten war dies entweder vollkommen bewusst, dass sich das Vorhaben wiederholen würde, oder aber er war des Szenarios überdrüssig. Wieder war das laute Knirschen zu hören, als sich erneut Eis auszubreiten begann, doch keineswegs weiter über das Wasser hinweg. Der Soldat hüllte seine Rüstung in das kalte Element. „Was?!“, schrie Kassis spitz und hob bereits die Arme schützend vor sich, als die Pranke des Kontrahenten sich nach ihm ausstreckte. Sie verfehlte ihr Ziel nicht. Grob wurde der linke Unterarm des Vermummten gepackt, wodurch es zu lautem Fauchen kam. Die blanke Kälte und das Eis fraßen sich in das nackte Gewebe hinein. „Was soll das werden?“, kreischte der Kultist, der zwar seinen Unterarm mit einer ruckartigen Bewegung befreien konnte, allerdings auch sämtliches Gewebe von der Elle, die entblößt im Gefecht stand, während Haut und Fleisch auf der Handinnenfläche des Soldaten klebten und blutig abtropften, sowohl Rüstung als auch eisige Fläche besudelnd. „Mach was-!“, setzte Kassis brüllend an, bevor er mit Wucht auf den weißen Untergrund geschlagen wurde. „Was rennst du auch vor?!“, brüllte Dogrem, der endlich auf ihrer Höhe war. Gerade als sich der Vermummte in sichere Distanz Richtung Attentäter bewegen wollte, hatte der Soldat bereits den Beidhänder aus der Scheide gezogen und versenkte ihn unter bestialischem Schraben durch den Oberkörper des Kultisten tief in das Eis hinein, bis die Parierstange auf dessen Brustkorb auflag. Weder der Moment des Triumphs noch das laute Brüllen Kassis' lenkten ihn genügend ab, oder aber jene flüchtende Gestalt im fernen Dunkel des Dickicht, als dass er nicht die Bewegung neben sich hätte sehen können. Von einer Sekunde auf die andere hatte Dogrem über zehn Meter einfach so überbrückt und stand nun beinahe direkt neben ihm. Aus einer drehenden Bewegung heraus schlug er mit beiden Dolchen zu, die geradewegs nach der Flanke des Gegners suchten, der noch die Hände am Schwertgriff hatte, oder zumindest noch in der Nähe. Dem Angriff kam er mit einer eigenen, den Oberkörper verdrehenden Bewegung entgegen, wodurch er ihm für den Moment den Rücken zuwandte. Dogrem zog die Brauen stark herunter, als er zusehen musste, wie seine Dolche sich hart im Eis verkeilten, die auf der Rüstung des Soldaten ruhten, bevor ihm dieser aus der eigenen Bewegung heraus den kompletten Unterarm mit voller Wucht unter die Schulter donnern konnte. Der Attentäter keuchte, wurde dann erneut über die eisige Fläche auf weite Distanz geschickt, nur um an Kassis zu schlagen, der fast schon wartend auf dem Eis hockte. „Das wird sein Ende sein..“, schnarrte er unter dem Geräusch von Wasser auf einem heißen Stein. Seine Wunden zogen sich zusammen. Sowohl jene an seinem Unterarm, als auch jene die seinen Brustkorb betrafen. Er hatte es sich offenbar in keinster Weise nehmen lassen sich einfach so aus dem Biss des Schwertes zu reißen, um zu entkommen. Dann jedoch stockte die Regeneration und hinterließ ein nicht zu verachtendes Loch durch seinen Torso. Dogrem stand langsam auf, grummelte und drückte den Rücken langsam durch, wodurch sich so einige Wirbel und Knorpel mit knarzenden Geräuschen meldeten. „Hoffentlich wird es das jetzt wirklich.. Ich habe keine Lust mehr mich mit ihm zu prügeln.“ „Siehst du es denn nicht?“, kicherte Kassis schrill und laut genug, dass sogar der Soldat aufsah, der in angemessener Distanz zu ihnen stand. Der zweite Ausbilder schnaubte amüsiert und ging in eine offensive Haltung über. „Doch, ich sehe es.. Los.“
Wieder war es Kassis, der im Angriff die Spitze übernahm und Dogrem, der hinterher eilte, jedoch nicht ohne dem Gleichgesinnten zuvor seine Dolche zu überlassen, um selbst auf sein Schwert zuzugreifen. „Hm. Das wird so nichts.“, murrte ihnen der Soldat monoton in einer derartigen Gleichgültigkeit entgegen, dass es einem in der Kehle stecken blieb. „Das glaubst auch nur du!“, feixte Kassis, der ein drittes Mal absprang und die Dolche zum Hieb hob. Ein tiefes, gutturales Knurren wurde ihm vom Soldaten entgegen gebracht, welches ihm unter der Rüstung widerhallte. Ein Halbschritt zurück wurde vollführt und das Schwert ausholend weit hinter sich gehoben. „HAB DICH!“, kreischte der Vermummte laut und vergnügt, bevor er die Arme für den Moment weit von sich gestreckt wurden, nur um die Hände, die die Dolche immer noch fest umfasst hielten, rasch aufeinander zurasen zu lassen, die er dann doch wieder kurz vor der Kollision in einer starren Haltung aufhielt. Die Schriftzüge auf seinen Leinen und seinem Leib begannen in einem gleißenden roten Tonfall zu leuchten, doch nicht nur sie. Auch unter und selbst auf dem Soldaten begann es zu leuchten. Es war Kassis' Blut durch den letzten Angriff. Mit einem lauten Knirschen riss es ihn regelrecht auf die Knie und aufs Eis runter, wodurch sein gesamter Leib zu zittern begann. Sichtbar begehrte er auf und dennoch konnte er sich kein Stück bewegen. Er war fixiert. „Stirb, Ding!“ „Das sehe ich nicht so.“, murrte der Soldat, der den Kopf anhob und dem Vermummten entgegen starrte, der seine Geste löste und abermals zum Schlag ausholte. Unter leisem Knacken begannen sich feinste Risse wie Spinnweben über den Körper des Gerüsteten zu legen. Noch ein letztes Knirschen. Dann zersprang die dünne Eisschicht auf der Rüstung, wodurch auch die blutigen Male zerfielen. Sogar das Eis begann sich zu dematerialisieren und wässerte das übrige Blut damit auf. Schwerfällig und dennoch gefährlich präsent richtete sich der Soldat auf, trat einen großzügigen Schritt zurück und holte erneut mit dem Schwert aus, nachdem der Vermummte direkt vor ihm im Wasser landete. Ein voller, durchgezogener Hieb folgte und direkt danach das laute Kreischen von Metall. Dogrem schaffte es rechtzeitig zu ihnen. Mit einem letzten Sprung konnte er sich in den Rücken Kassis' werfen und das eigene Schwert quer vor seinen Rumpf legen, das er am Griff und der blanken Spitze mit derartiger Gewalt festhielt, dass selbst die enorme Kraft hinter dem Schwerthieb des Soldaten nicht nahe genug an den Kultisten kam, um ihm ernsthaft zu schaden. Dennoch warf es beide mehrere Meter durch das Wasser zurück, das verdunkelt war von dem Blut und aufgewühlt durch die ganzen Bewegungen. „Ich sagte es bereits.. Es ist eine dämliche Idee.“, zischte Dogrem verbissen, nachdem er sich aufgerichtet hatte und das Schwert zurück an die Schlaufe seines Gürtels gebunden hatte. „Weg hier..“ „Aber-“, setzte Kassis an, dem der Attentäter die Dolche wieder entriss, um sie zurück unter den Mantel in die angebrachten Vorrichtungen zu setzen. „Vergiss es.. Er kennt unser Bewegungsmuster und ohne Überraschung wird das nichts.“ Er hob den Blick zum Soldaten, der sich in einiger Entfernung präsent aufstellte. Eine aufrechte, militärische Haltung, die breiten Schultern etwas gehoben und auch das Kinn, während der Beidhänder repräsentiert wurde, indem er diesen mittig vor sich nahm und die Hände locker auf den Knauf legte. Er wartete. Kassis brummte bei dem Anblick leise, richtete sich dann allerdings auf und wandte sich ab. Dogrem blieb noch einen kurzen Moment und nickte dem Soldaten hoch, so wie dieser es bereits zu pflegen wusste. Ihm wurde die selbe Geste entgegen gebracht. „Merkwürdiger Kerl..“, murmelte der Kultist dann nur, ehe er dem Vermummten nachfolgte und mit ihm im Dunkel der angebrochenen Nacht verschwand.
Vermeintliches Tagebuch
Ich hasse Überraschungen. Ich hasse sie so übermäßig, dass ich es gar nicht in Worte fassen kann. Deswegen hier ein paar Dinge, damit ich mich ablenke. Stein. Backofen. Kinder. Nina. Erinnerst du dich an Nina? Ich musste ziemlich weit hinter blättern, damit ich endlich auf eine freie Seite schreiben konnte. Vielleicht sollte ich doch wieder normal weiter schreiben. Jedoch vermute ich, dass ich mich damit selbst verwirre. Bis ich weit genug hinten bin habe ich nämlich vergessen, dass ich dort bereits geschrieben habe und wer soll dann noch durchblicken? Jedenfalls hasse ich Überraschungen. <ein größerer Fleck verunziert die Seite, als hätte der Federkiel dort länger geruht> Ich hasse Überraschungen.
Nicht Nina