Keine lustige Seefahrt
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Der Übergriff war erfolgreich. Nicht nur hatte Jacob eine hervorragende Leistung in den letzten Vorbereitungen getroffen und sich damit bewiesen, sogar auf Kassis war Verlass. Etwas, was sich Dogrem niemals hätte vorstellen können. Niemals hätte er sich träumen lassen, dass dieser vermeintliche Idiot seine Arbeit noch vor der Abreise Richtung Gottloser Sumpf hinter sich bringen konnte und das es schließlich auch funktionierte. Woher er an das Wissen um die Windmagie kam wusste der Attentäter immer noch nicht, ebenso wollte es ihm in keinem Moment in den Sinn kommen gleich wie lange er darüber grübelte. Dennoch bat der aufgewirbelte Sand so viel Zeit und Deckung, um nicht nur eine Handvoll Rekruten umzulegen, sondern auch noch einen Balthasarpriester zu erledigen und die eigentliche Zielperson zu entführen, bevor man geschlossen und vollzählig flüchten konnte. Fünf Mann hat es nur benötigt, um das alles durchzuführen. Eine einzige Sache von Glück, wenn Dogrem noch einmal darüber sinnierte, dennoch keine Kleinigkeit. Sie hatten ihren Auftrag erfüllt und das war wichtig.
Mit einem rauen Seufzen begann der Attentäter sich mit einem dünnen Papier und trockenem Tabak eine Beleidigung einer Zigarette zu drehen, ab und mal leise grummelnd, wenn eine weitere Welle an das Boot schlug und dieses leicht erschütterte. Ein weiteres Mal fiel ihm einiges an Tabak auf seine Oberschenkel, woraufhin er ein genervtes Schnauben von sich gab und zu Jacob starrte, der ihm entschuldigend entgegen grinste. „Verzeiht, Meister..“, ächzte der Bursche angestrengt, während er alleine das Ruderboot vorwärts trieb. Neben ihnen war noch ein zweites Ruderboot mit den anderen dreien der Gruppe, die sich recht eifrig unterhielten. Es war fast schon ersichtlich, dass das ihre erste Arbeit direkt in der Öffentlichkeit und dann auch noch diesen Ausmaßes war. Das Adrenalin spülte ihnen sicherlich noch durch die Adern, obwohl es schon über drei Stunden her war und sie sich soeben mitten auf einen der verlaufenden Arme des Meeres des Leids fuhren. „Wie ich es hasse..“, schnaubte Dogrem schließlich aus und starrte zu seiner Zigarette runter, die nicht kleben wollte. Nochmals leckte er über den Rand und verdrehte energischer. Das Papier wollte nicht. „Elendiges..“, grummelte er, warf den gescheiterten Versuch ins Meer raus und leckte sich kurz über die rissigen Lippen, woraufhin er das Gesicht angeekelt verzog. Salz. Nicht einfach nur Meersalz, sondern auch der eigene Schweiß, der sich ob der prasselnden Sonne angesammelt hatte. „Kann doch nicht sein.. So ein schöner Tag, da kann man sich doch nicht die Laune wegen solchen Kleinigkeiten verderben.“ Mit einem Grummeln rieb er sich dann mit der rechten Pranke durchs Gesicht, bevor sein Blick aus eisigen Augen neben sich glitt. Dort saß er also angelehnt auf dem Boden. Ein älterer Kerl, der aussah wie einer von Zaithans Schergen. Ihm fehlte, soweit sichtbar, das halbe Gesicht und der Rest wirkte wie geschmolzen, während ihm fast schon absurd lange, gebleichte Haare über die Schultern hinter den Rücken fielen. Es passte einfach überhaupt nichts zusammen. Man hatte ihm auf Dogrems Anweisungen hin mit Seilen die Arme überkreuzt auf die Brust geschnürt, statt wie üblich auf den Rücken, um auch wirklich keine Bewegungsfreiheit zu bieten. „Spiel nicht mit mir.“, fauchte der Attentäter dann nach geschlagenen fünf weiteren Minuten. „Ich seh dir doch an, dass du wach bist.“ Der Gefangene verblieb schweigend und reglos, woraufhin Dogrem die Brauen herunter zog und einige Momente selbst schwieg. „Ich hasse dich.“
Es ging fast noch eine ganze Stunde weiter. Immer weiter. Tiefer ins Meer, oder aber Richtung Ufer. So genau konnte man es nicht sagen, da sie bis zum Horizont schon von Wasser umgeben waren – jedenfalls augenscheinlich. Die Sonne hatte sich etwas mehr verschoben und prasselte immer noch in vollster Genugtuung auf sie runter. Während sich die drei Attentäter auf dem Nebenboot von dem Adrenalinschub endlich erholten, hatte es Dogrem auch geschafft sich eine passable Zigarette zu drehen. Zwar immer noch eine Beleidigung an ihre Art, jedoch funktionstüchtig. Mit einem leisen Brummen zog der kräftige Mann von dem glimmenden Sargnagel und schnaubte den Rauch langsam aus, bevor er den Blick erneut auf den Gefangenen runter richtete. Langsam lehnte er sich zu diesem runter, die Unterarme auf den Oberschenkeln und die Augen zu schmalen Schlitzen verengt. „Hör auf damit, wir brauchen dich lebend.“, schnarrte er. Nichts. Wieder keine Antwort vom Gefangenen, jedoch etwas, das man als ein belustigtes Schnauben hätte bezeichnen können. Dogrems rechte Braue hob sich steil an. „Nein.. Das Ding ist wirklich wach..“ „Natürlich ist das Ding wach.“, kam es mit einer widerlich unangenehmen Stimme in einem grausigen Flüsterton zur Antwort, was den Attentäter nicht ersichtlich erschaudern ließ. Dennoch lehnte er sich wieder zurück und behielt das groteske Wesen im Blick, welches ihm nun langsam die zugerichtete Visage zuwandte, das verbliebene Auge öffnete und ihm entgegen sah. „Und jetzt? Willst du mit mir plauschen, Bursche?“, schnarrte der Gefangene zu ihm hoch, was dafür sorgte, dass Dogrem eine weitere, angeekelte Grimasse zog. „Ich würde dich am liebsten auf den Grund des Meeres befördern, wenn ich mir deine Fresse so ansehe.“, bratzte er ihm als Antwort zu, nur um mit einem gedämpfteren Murren kurz noch einmal sein Gegenüber zu mustern. „Ernsthaft, was ist da passiert?“ Der Ältere schenkte ihm ein groteskes Grinsen auf die Frage hin. „Ich habe angefangen zu rauchen und bin in Flammen aufgegangen.“ Der Attentäter verschluckte sich am Rauch, als er sich einen neuen Lungenzug gönnte und lachte bellend, jedoch hustend auf. Mehrmals klopfte er sich schroff auf die Brust, nur um eine bequemere Haltung anzunehmen, indem er die Beine ausstreckte. „Damit musst du mal im Waisenhaus rumgehen.. Die Tabakhändler werden ein Kopfgeld auf dich aussetzen.“ Der Gefangene gab ein weiteres, amüsiertes Schnauben zurück, nur um ihm andeutend hochzunicken. „Ich würde mir selbst jetzt eine anstecken, aber ich bin gefesselt..“ Dogrem rollte belustigt mit den Augen. „Du weißt schon wie du deinen Peinigern auf die Nerven gehst, alter Sack..“ „Na, so nennt mich meine Fotze.“, wurde der Attentäter regelrecht getadelt, ehe der Ältere in besonnener Tonlage weitersprach, als wäre ihm seine Gefangenschaft vollkommen gleichgültig. „Aurunis Thrymaer.. Mit wem habe ich das Vergnügen?“ „Dogrem.“ „Wie gemein.. Ich habe dir meinen richtigen Namen auch genannt.“ Milde überrascht sah der Attentäter dem Gefangenen entgegen. „Nicht deine erste Gefangenschaft, hm?“ „Nein, außer ich habe wirklich sehr merkwürdige Träume während meiner Ohnmacht.“ „Hier.“ Dogrem nahm die Zigarette aus seinem Mundwinkel und steckte sie dem Älteren in dem ihm verbliebenen, woraufhin von diesem ein bedächtiges Nicken kam. „Anständig von dir.“ „Bevor ich aussehe wie du höre ich lieber gleich damit auf.“, schnaubte der kräftige Kerl, lehnte sich zurück und verschränkte die breiten Arme vor der Brust. Jacob beobachtete das Gespräch zwar sehr aufmerksam und mit einem ganz sacht belustigten Ausdruck in seinem Blick, jedoch hielt er sich vollkommen im Hintergrund. Der Ältere deutete wieder ein Grinsen an, jedoch nicht all zu deutlich. Wohl wollte er das eroberte Rauchwerk nicht gleich wieder verlieren. „Ziele setzen, wie interessant.. Aber jetzt ernsthaft. Was habt ihr mit mir vor?“ Dogrem zog auf die Frage hin erst die Brauen, dann die Schultern hoch. „Das weiß ich selbst nicht.“ Er und auch der Gefangene sahen fragend zu Jacob, der stark zusammen zuckte, als er so plötzlich in das Gespräch involviert wurde. Mehrmals schüttelte der Bursche das Haupt. „Ich weiß es auch nicht..“ Thrymaer sah zu Dogrem zurück. „Und wo sind wir?“ „Hm..“ Erneut der Blick des Attentäters auf seinen Handlanger, der nun selbst die Schultern anhob. „Ich folge doch auch nur den Anweisungen von dem Zettel..“, nuschelte er dann eher. Dogrem zog die Brauen daraufhin in anzweifelnder Geste zusammen. „Welcher Zettel?“ Der Gefangene lachte kehlig mit überschlagender Stimme auf. „Bei den Schatten.. Wenn eure Professionalität ein Gesicht hätte, dann würden sich selbst Schaufler in den tiefsten Gängen die Augen auskratzen.“ Jacob warf dem Älteren daraufhin einen recht verbissenen Blick zu, sah seinem Vorgesetzten dann wieder sehr entschuldigend entgegen. „Ich wusste ja selbst nicht was das bedeuten sollte.. Aber ansonsten hätte ich auch nicht von den Runen gewusst..“, murmelte er kleinlaut unter dem spottenden Gelächter des Gefangenen, woraufhin Dogrem sich vermehrt zurück lehnte und seine Hand unter einem Seufzen auf sein Gesicht legte.
Als Jacob aufhörte zu rudern und sich suchend umzusehen, da ahnte Dogrem bereits schlimmes. Als sich dann noch Unruhen auf dem Ruderboot breitmachten und sie dem Handlanger auf dem Hauptboot fragende Blicke zuwarfen. Sie saßen seit einer weiteren Stunde auf der Stelle fest, während die Wellen die beiden Boote ab und an mal anhoben, nur um sie doch wieder fallen zu lassen. Der Gefangene balancierte den Rest der Zigarette zwischen den Resten seiner Lippen her, was den Anblick nicht gerade mit viel Amüsement beschenkte. Es war wohl schlichtweg nicht möglich an dem Ding irgendetwas Positives zu finden, außer, man hat einen sehr starken Hang zum visuellen Masochismus. Zumindest erging es Dogrem so, der zu eben jenem Wesen sah, als sich diesem erneut zuwandte. „Also.. Warum dieser riesige Aufstand im Fort? Man hätte mich auch einfach eintüten können.“ Des Attentäters Augenbraue zuckte etwas unstet auf die Worte hin, welche dem Ernst der Angelegenheit regelrecht die Knie brach. „Ist nicht so, als ob das irgendetwas daran geändert hätte, das wir nun.. hier sind.“ Dabei sah sich der Gefangene soweit es ihm möglich war auf dem offenen Meer um, welches sie umzingelt hatte. „Also, was steckt dahinter?“ „Ein Balthasarpriester.“, schnaubte Dogrem zur Antwort und verschränkte die Arme erneut vor der Brust. Die Ablenkung von dem Umstand der Verlorenheit auf dem riesigen Gewässer war ihm nur recht, weswegen er aus seiner üblichen herrischen Tonlage in einen umgangssprachlichen Plauderton abschweifte. „Ein.. anderer, nennen wir ihn 'anderer'.. hat den Namen eines Balthasarpriesters ausgemacht und es sich deswegen zur Aufgabe gemacht dessen Umkreis umzulegen.“ „Weshalb?“ „Was weiß ich.. Als ob den Kerl irgendeiner verstehen würde..“ „Ein Mann also.“ „Ja, ein Mann.“ Der genervte Blick Dogrems traf den des Gefangenen, der viel zu hellhörig wirkte. „Nur weiter.. Keiner weiß weswegen er das will und man folgt ihm?“ „Natürlich folgt man ihm..“ „Er ist also der Leiter dieser Bewegung und auch Kopf einer Organisation?“ „Ich sollte dich einfach umbringen..“ Der Ältere grinste daraufhin recht dreckig mit einem wissenden Ausdruck im Blick. „Du brauchst mich lebend, ansonsten hättest du mich einfach dort umbringen können.“ Der Attentäter schnaufte. „Ja, ich hätte dich wie deine Rekruten umbringen können.“ Thrymaer zuckte abtuend mit den Schultern. „Die hätten die nächsten zwei Wochen eh nicht überstanden, du hast mir nur Arbeit und Zeit erspart.“ Die Kaltblütigkeit dieses Mannes ließ Dogrem die blanke Galle in den Hals steigen, doch schnaufte er nur über den widerlich bitteren Geschmack hinweg ohne sich etwas ansehen zu lassen. „Deine Rekruten, die zwei Wachen da, der Balthasarpriester.. Was weiß ich. Wie einer von denen.“ Nun reagierte der Gefangene doch mit dem Verengen seines Auges. „Was?“, zischte er, woraufhin Jacob ihm einen recht verunsicherten Blick runter warf. „Du hast WAS?“ Der Attentäter hob die Braue an, nur um doch in ein breites Grinsen zu verfallen. „Aha.. Menschlichkeit bei dir? Hätte ich nicht erwartet.. Aber ja. Den alten Kerl da, der da neben dir stand, haben wir abgeschossen.. Ein Pfeil mit Säure, wie auch bei..“ Er schnippste mehrmals mit den Fingern seiner rechten Hand, als ihm nicht der Name einfallen wollte. „Ach, verdammt.. Die vermeintliche Schwester da von dem Kerl..“ Schließlich winkte er nur ab. „Was soll's.. Jedenfalls haben wir ihn auch gleich noch abgeschossen, wenn er schon einmal so bereitwillig in der Nähe ist. Müssen wir nicht extra noch einmal nach Götterfels, um dann seine Leiche irgendwo verstecken, damit es nicht so schnell auffällt.“ Mit einem plötzlichen Ruck zog sich Thrymaer erst auf die Knie, dann auf die Beine hoch, wodurch das Boot gefährlich ins Schwanken geriet, ehe er sich bedrohlich vor Dogrem aufbaute. Trotzdessen, dass er dort gefesselt stand war seine Präsenz regelrecht fühlbar. Bei dem Kerl war eine Sicherung durchgeschossen. „DU ELENDIGER!“, brüllte er ihm mit einer derartigen Lautstärke entgegen, dass es sogar noch vom Horizont zurück geworfen wurde. Das Holz gab knarzende Geräusche von sich, woraufhin der Attentäter das Gesicht verzog. „Der zerrupft uns gleich das Boot!“, blaffte er lauter. Unter einem lauten Aufschlag zersprang dann doch das erste Holz und damit das einzige. Jacob hatte eingegriffen und dem Gefangenen eines der Ruder über den Schädel gezogen, wodurch dieser auf den Boden zurück stürzte und reglos ausharrte, während sich das Haar am Hinterkopf dunkel tränkte und der Rest der Zigarette über den Boden purzelte. Langsam lehnte sich Dogrem wieder zurück, pustete dabei die Luft aus geblähten Wangen heraus und legte die Stirn in Falten. „Ich bin dir dankbar fürs Eingreifen, Jacob, da der Kerl uns hier beinahe die Hölle heiß gemacht hätte, aber..“ Er nickte zu dem zerbrochenen Ruder, das noch im festen Griff beider Hände des Burschen war, der sich eher zögerlich nach dem Übergriff zu entspannen begann. „Wie kommen wir hier jetzt weg?“ Jacob seufzte leise aus, setzte sich ungehalten auf die Diele zurück, wodurch das Boot erneut schwankte und hob dann die Schultern an. „Können auf Kassis warten und hoffen, dass er uns hier abholt.“ Er kassierte sich einen angefressenen Blick von seinem Vorgesetzten, der nur den Kopf schüttelte und die Arme hinter diesem verschränkte, nur um die Augen zu schließen. „Manchmal frage ich mich, warum ich mich überhaupt noch zu solchen Hirnrissigkeiten überreden lasse..“