Ein Stein nach dem anderen
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„Eins zwei, eins zwei, eins zwei..“ Wieder und wieder klopfte das Gestein karg aufeinander, wenn einer der Ziegel gehoben wurde und seinen Platz in einer offenen Wand fand, welche nach und nach so verschlossen wurde. Kein Zement, kein Mörtel hielt dieses Gebilde zusammen, sondern die bloße Schwere der steinigen Rechtecke. Die Flüssigkeit, die knöcheltief im Raum stand, reflektierte das Licht einer einsamen Kerze auf einem Sims unter vernagelten Fenstern in den schillerndsten Farben eines Regenbogens. „Ist das gewollt?“, erhob sich fragend eine zweite, weibliche Stimme. Die Frau, gehüllt in einen festen und dunklen Ledermantel, beobachtete die Handlung des Vermummten nun bereits seit Stunden, ohne auch nur einen Finger krumm zu machen. Ein rötliches Tuch verdeckte ihre untere Gesichtshälfte, ein feister Hut bedeckte ihr Haupt, womit nur noch die klaren blauen Augen hervorlugten. „Gewollt? Was?“ Kurz hielt der Kultist an, der barfüßig inmitten der Lache aus Treibstoff stehen blieb, während die aufgebrachten und rufenden Geräusche allmählich erstickten. Die Luft war kaum mehr vorhanden, sondern nur noch das stark sinnesbetäubende Gemisch aus Petroleum und Benzin, welches den gesamten Raum dominierte. Sehr langsam hob er einen der letzten vier Ziegel vom Boden, wodurch die Schliere nach unten in die Masse abtropfte, während der Vermummte den beschrifteten Oberkörper aufrichtete und den verhüllten Kopf zur Frau drehte, nur um ihn schief auf die Seite zu neigen. „Das alles.“, antwortete sie ihm, hob die linke Hand an, welche ebenso strikt in Leder gehüllt war und verwies ausschweifend über den kärglichen Raum, der aus Sperrholzwänden bestand, während die Decke und der Boden allerdings aus massiven Gestein bestand, was man selbst durch die Flüssigkeit noch gut erkennen konnte. „So viel Aufwand für.. was?“ „Hmm..“ Der Kultist schwieg daraufhin. Warum tat er dies überhaupt? Sein Kopf drehte sich nach hinten, als würde er den verdeckten Blick auf die zwei ohnmächtigen Frauen und den Mann richten, welcher gerade noch so wach war, während sie inmitten der Lache geknebelt und gefesselt lagen, kurz davor hinter der aufgeschichteten Steinwand eingeschlossen zu werden, die ebenfalls triefte. Die Minuten zogen dahin, ehe sich der Kultist wieder zur Frau inmitten des Raumes zuwandte und ihr ein Schulterzucken entgegen brachte. „Wenn nicht ich, wer dann?“ Damit ging er zur den Gefangenen hinüber, legte den Stein auf die anderen. „Glaubt Ihr nicht..“, begann sie dann doch etwas vorsichtiger. „.. dass das auffallen wird? Vor fast einem halben Jahr wurde Euer Treiben auch aufgedeckt, selbst wenn Ihr erfolgreich fliehen konntet.“ Wieder stockte der Vermummte, um tief durchzuatmen und sich abermals zu ihr umzuwenden. „Und wenn sie mich dann haben? Was wollen sie schon machen? Mich töten? Oder auf ewig einsperren?“ Ein amüsiertes, hysterisches Kichern folgte, das ihn kurz erzittern ließ, ehe er den Kopf verneinend schüttelte und den linken Zeigefinger fast schon in tadelnder Geste hob. „Das wird auch nicht dafür sorgen, dass sie aus dem Jenseits zurück kommen.“
Es war die Frau, die auf diese Aussage hin schwieg und schließlich nickte. „Das stimmt.. Einmal in seinen Klauen wird er die Seelen sicherlich nicht mehr hergeben.“ „Deswegen ja, deswegen ja!“, gluckste der Vermummte auf, griff sich noch die restlichen drei Ziegel auf und setzte sie ebenso in die Wand ein, hinter welcher die Gefangenen nun vollkommen verschlossen wurden. „Eins zwei.. drei.. Und fertig.“ Wie abschließend klatschte er einmal in die Hände, drehte sich um, nahm die Kerze vom Sims und ging zielstrebig aus der angelehnten Tür hinaus, dicht gefolgt von der Frau, welche das Holz in den Rahmen drängte. Auch der Flur auf welchem sie nun standen war knöcheltief mit jener Substanz besetzt und versprach Eintritt zu fünf weiteren Räumen hinter geschlossenen, von weiteren vermummten Personen bewachten Türen. Alles lag unterirdisch. Die feste Steindecke zog sich nahtlos einfach durch, genauso wie der Boden, wodurch es klar wurde, dass das ein ausgehobener Bereich war, der provisorisch und schlicht mit den hölzernen Wänden in weitere Räume aufgeteilt war. „Ohh.. Was freue ich mich.“, gluckste der Vermummte und ging an ein jeder Tür einmal entlang, die Kerze mit der linken Hand erhoben, deren Flamme er direkt am Fuße des hölzernen Durchgangs absetzte, wodurch Tür samt Wand schlagartig in Feuer aufgingen. Die sich entwickelnde Hitze nahm Präsenz an und der aufsteigende Rauch entriss der Umgebung den letzten Rest an brauchbarer Atemluft. An ein jeder Tür wiederholte er das Prozedere, zwei Mal auf der einen und drei Mal auf der anderen Seite des länglichen, engen Ganges, ehe er eben jenen verfolgte und eine schmale Treppe hinauf ging, die zur Oberfläche zu führen schien. Wachsam beobachtete die Frau das Geschehen, schnaubte dann aus und gab den anderen mit einem Wink zu verstehen, dass sie folgen sollten, doch als diese sich in Bewegung setzen wollten kam Unruhe auf. Als ob ihre Stiefel festkleben würden, begannen sie ruckartig die Knie zu bewegen, ohne sich auch nur einen Deut vom Fleck zu rühren. Gerade noch war sie dabei dem Vermummten hinauf zu folgen, doch wandte sie sich um, als sie bemerkte, dass ihre Leute nicht nachfolgten. Ihre Augen weiteten sich ob der Erkenntnis, das die gelegten Flammen nach ihnen leckten, bevor sie ihren Blick ruckartig zum Vermummten hinauf richtete. „Da stimmt etwas nicht!“ Der Kultist stockte erneut. Abermals wandte er sich ihr zu und entbot ihr erneut ein Schulterzucken. „Ich habe Euch gekauft, nicht wahr? Ihr seid doch Söldner, oder nicht? Gehört Ihr mir dann nicht und ich kann mit Euch tun, was ich will?“ Ein entrüstetes Raunen drang ihr aus der Kehle, ehe sie unter ihren Mantel griff und einen Dolch zog, während sich der niedrige Raum immer mehr mit Flammen füllte. Wutentbrannt rannte sie auf ihn zu, holte mit der Stichwaffe aus und stach nach seiner Brust. Der Vermummte lehnte sich weit zurück und griff mit der Hand nach der blanken Klinge, die er fest und herrisch umgriff, wodurch sich das Blut schnell dunkel zwischen seinen Fingern heraus drückte. „Na na.. So etwas macht man nicht.“, feixte er ihr zu, nur um ihr die Kerze ins Gesicht zu werfen. Mit einem spitzen Kreischen wandte sie das Gesicht mit zusammen gekniffenen Augen ab, deren Lider ob des glimmenden Dochts nässende Striemen abbekamen. Jene ehrlose Ablenkung nutzte der Kultist ungeniert aus. Mit einem Ruck entriss er ihr den Dolch, nahm ihn in die nun wieder freie linke Hand und schlug der Söldnerin die Klinge mit einem dumpfen Knacken durch die Schläfe tief in den Schädel. Ein matter Ruck ging durch ihren Körper, welcher nach wenigen Augenblicken reglos die Treppe hinab in die Flammen stürzte, während die panischen und schmerzgepeitschten Schreie ihrer Kameraden aus den leckenden Zungen drangen.
Stunden wartete er noch, bis es endlich aufhörte zu brennen. Er ging die Treppenstufen noch hinauf, um dann aus einem engen Loch zu klettern und auf Waldboden zu stehen. Das Gefühl von warmen Moos unter seinen Fußsohlen, der Geruch von Holz und wilden Pilzen. Er mochte Wälder. Das Loch schüttete er zum Großteil mit Erde zu, während der ganze Qualm noch unstet und schwärzlich aus diesem entstieg. Es war ihm bewusst wie viel Raum er diesem geben musste, damit noch genügend Sauerstoff hinab gelangen konnte, damit auch wirklich alles restlos verbrannte. Er hatte es schon zu oft getan, um es nicht zu wissen. „Nein nein..“, murmelte er sich leise zu, während er einen Steinkreis um die Rauchsäule bettete und schließlich Äste darüber legte, die er nachträglich nochmals anzündete. „Das fällt schon nicht auf.“ Ein Hochofen getarnt als ausbrennendes Lagerfeuer. Ganz still war er dann dort gewesen, hat zusammen gekauert auf dem Boden gesessen und gewartet, bis es endlich aufhörte zu brennen.