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„Ihr seid Euch sicher, dass wir hier richtig sind.“ Kleine Kiesel knirschten unter ihren Stiefeln, während sie langsam aber sicher den Berg erklommen. „Natürlich.. bin ich mir.. sicher..“, keuchte der Mann vor ihm angestrengt. Sie waren, wie die letzten Tage schon, über Stunden hinweg durchmarschiert ohne wirklich jemals dem angestrebten Ziel näher gekommen zu sein. Er sah in den sehr breiten Rücken eines muskulös breiten Mannes, der in nachtschwarze Gewänder gehüllt war. Manch ausgeblichenes Dunkelgrün war sinnbildlich vorhanden, genauso wie die Bullenschädel auf seinen Schultern. Hätte er schätzen müssen, sie ähnelten zu sehr den bleichen Schädeln von Zentauren, aber er stellte es nie in Frage. Die Kapuze hatte er sich in den ebenfalls breiten Nacken gestriffen, wodurch seine kurzen bereits melierten Haare zu sehen waren. Von seiner linken Schulter hing eine schmale Tasche in welcher wohl nur das nötigste steckte, während die rechte Faust einen metallischen Stab von dunkler Farbe führte. „Habe ich mich jemals geirrt?“ „Hm.“ Langsam zog Mortis die Brauen runter. Er war noch nie ein Mensch von vielen Worten gewesen, weswegen er bei der Hinterfragung seiner eigenen Aussage nur die Brauen herunter zog und zwischen den fettigen Haarsträhnen hindurch zu dem Mann vor sich sah. Seine eigene Rüstung klirrte leise vor sich hin. Man konnte es nicht mit dem Geräusch von schweren scheppernden Platten vergleichen, statt dem leisen Kratzen dünner Ketten auf Gestein und Stahl. „Manchmal. Wir irren alle.“ „Richtig.. Wer sagt, dass es dieses Mal also wieder eine Fehlentscheidung von meiner Seite aus statt einer..“ Sie blieben vor einer Schlucht stehen, die sich auf dem erklimmten Berg plötzlich vor ihnen auftat. Die Umgebung war von Kampfspuren geprägt. Blut und tiefe Kerben haben in die steinerne Fassade der Szenerie einen Nachruf an Vorbeikommende hinterlassen. Moos und Wurzeln überwucherten die Gegend, während am Kopf der Schlucht ein tiefer Steinsturz hinein brach. Dennoch war alles still. Ab und an ließ ein Vogel einen Laut von sich hören, oder aber der Wind jaulte aus der tiefen Schlucht hinauf, doch herrschte ansonsten eine fast schon angenehme Stille. Der Blick der beiden führte erst den durch das Dickicht geschlagenen Weg hinab zurück, legte sich schließlich auf die Schlucht direkt vor ihnen, bevor er zum unheilig in die Höhe ragenden Albtraumturm schwenkte und schlussendlich sein Ende auf dem Fort Salma fand, welches fast schon in greifbarer Nähe einige Höhenmeter unter ihnen befestigt stand.
„Mhm.“, entkam es von Mortis, während sich der Mann neben ihm langsam über den Nacken rieb und tief durchatmete. „Wie haben wir denn das geschafft?“ Ein knapper Seitenblick des Gerüsteten traf ihn, der sich daraufhin einfach auf dem Boden in einer windgeschützten Ecke nieder ließ und den Rucksack neben sich auf den Grund zog. „Das frage ich mich auch.“ Mit einem Seufzen bequemte sich der andere zu ihm, setzte sich jedoch statt dem Boden auf einen größeren Stein welcher aussah, als wäre er vor Jahren einst eine Säule gewesen, welche von der Zeit in die Knie gezwungen wurde. „Wir sind im Kreis gelaufen.“, murrte der Gerüstete, während er sich aus seinem Rucksack einige Streifen Trockenfleisch zog. „Wären wir im Händlerlager geblieben, dann hätten wir Zeit gespart.“, grummelte er nach, nur um sich mit einem Bissen gleich mehrere Ecken Fleisch abzureißen. Leicht undefinierbar, aber keineswegs nachtragend hob er den Blick aus dunklen Augen zu ihm hinauf. Ein etwas größerer, recht muskulöser Kerl saß da neben ihm und legte soeben den Stab neben sich auf dem Stein ab. Er war schon älter, zumindest sprachen die Falten in seinem markanten Gesicht davon und der Ausdruck in seinen klaren Augen umso mehr dagegen. Fest, entschlossen und unnachgiebig. Etwas, was Mortis schon immer an ihm fasziniert hatte. Schmuck konnte man ihm ebenfalls entdecken, wie zum Beispiel die Ringe an seiner linken Ohrmuschel, oder aber die aufgespannten Kugeln welche an einem schmalen silbrig anmutenden Faden um seinen Hals hingen. Schnell hätte man sie für Gebetsperlen halten können. Ornamente, Orden, Abzeichen oder Dergleichen waren zwar nirgends zu entdecken, jedoch erzählten die Farben ihre eigene Geschichte dazu. Am Gürtel saßen, ähnlich wie bei Mortis selbst, Wasserschläuche und kleinere Taschen, jedoch keine weitere Bewaffnung. Die Blicke der beiden kreuzten sich, woraufhin der Mann seine Braue hochzog. „Was ist, Mortis?“ „Nichts, Eisruf.“ Krettim Eisruf war sein Name gewesen. Schon früh hatte Mortis ihn kennen gelernt auf dem Schlachtfeld und ihn nicht selten nach Hilfe gefragt, oder aber für Antworten aufgesucht. Ein merkwürdiges Gefühl war es nach Jahren wieder mit seinem einstigen Mentor zu wandern. „Irgendetwas stört Euch doch, Mortis. Was ist es?“ Langsam verengte der Gerüstete nun seine Augen. Ein zweites Mal ließ er sich nicht auffordern zu sprechen. „Es ist eine Zeitverschwendung umherzuirren.“ Eisruf zuckte flüchtig mit seiner Braue. „Es ist ebenfalls eine Zeitverschwendung alles zu vergessen und sich nochmals danach erkundigen zu müssen.“ Mortis atmete gedehnt aus. Sein Mentor hatte damit zwar einen Punkt, jedoch ließ es sich einfach nicht leugnen, dass sie seit Tagen bereits umher liefen und ihrem Ziel nicht einmal im Ansatz näher kamen. Im Gegensatz. „Immerhin mussten wir die Löwengarde in der Hafenstadt nicht fragen.“, brummte Eisruf, zog einen Wasserschlauch von seinem Gürtel und drehte ihn auf, ehe er sich einige Schlucke gönnte. „Nein.“, murrte Mortis, welcher seine Augen dämmernd verengte. „ICH musste sie fragen.“ Während dem dumpfen Husten des Mannes biss er nur wieder grob von den Streifen ab und sah in Richtung des gewaltigen Turmes. „Vielleicht schaffen wir es diese Woche noch.“ Mehrmals klopfte sich Eisruf noch auf die Brust, warf seinem Schützling einen knappen Seitenblick zu und stierte dann selbst in die Ferne hinaus. „Wir könnten auch nach Fort Salma und..“, begann er, woraufhin er sich einen mörderischen Blick von Mortis einfing. „Untersteht Euch. Wir gehen zum Turm. Ansonsten landen wir in Beetletun, wenn wir Salma ansteuern.“ „Pah! Traut Ihr mir wirklich SO eine Zerstreutheit zu?“
Lange starrten sie sich an, da keiner mit seiner Ansicht und Meinung auch nur ein Stück abrücken wollte. Langsam verengten sie gleichermaßen die Augen, fast als wären sie darauf aus gewesen ihr Gegenüber damit entweder zu untergraben oder aber in seinen Aussagen zu determinieren. Ein leises Platschen neben Eisruf forderte jedoch die Aufmerksamkeit beider. Ein kleiner, grüner Leguan hatte sich zu ihnen gesellt und begann das verschüttete Wasser gierig aufzulecken. „Oh..“, entkam es Eisruf hörbar erfreut. Ob nun aufgrund dem Fakt, dass er ein Tierfreund war oder aber, dass der kleine Gast das minutenlange Starren mit seiner Anwesenheit unterbrach. „Na, wie geht es dir, mein Kleiner?“ Mortis zog die Brauen skeptisch runter. „Sicher, dass das ein Männchen ist.“ „Lässt sich überprüfen.“ Ungeniert griff sich das kleine Tierchen auf, das ein lautes Quiepen von sich gab und erst einmal im Griff zappelte, welcher den Leguan auf den Rücken drehte. Ungeachtet dessen drückte der Mann seinen Ellfinger in die Kloake der Echse, wühlte etwas herum und ließ schließlich wieder ab, nur um sie zurück auf den Stein zu setzen. Der Leguan sah, genauso wie Mortis, recht undefinierbar zu Eisruf auf, welcher sich die Finger leger abwischte. „Männchen.“ „Ich bin froh, dass wir dieses Geheimnis endlich gelüftet haben.“, brummte der Gerüstete daraufhin und beobachtete das kleine Wesen wieder, wie es das Wasser weiter aufleckte. „Scheint, als wäre er fast verdurstet.“ „Na. So ein Glück, dass Ihr gehustet habt.“ Wieder ein kurzer Blickkontakt zwischen den beiden, ehe Eisruf ein Murren von sich gab. „Habt Ihr Euch eigentlich um Eure Weiterbildung gekümmert?“ „Weiterbildung.“, wiederholte Mortis und hob die rechte Braue fragend an. „Ja.. Habt Ihr Euch belesen? Archive besucht?“ „Hm. Nein. Wenn ich ein Pergament zwischen den Fingern hatte, dann entweder für Berichte oder Gedanken. Ab und an für Bilder.“ Ein skeptischer Blick von seinem Mentor traf ihn. „Mortis.. Ihr habt Euch weiterzubilden..“ „Hm. Später. Vielleicht.“ Damit legte der Gerüstete sein Schwert und schließlich sich selbst auf den Boden, den Kopf auf seinen Rucksack bettend. Sein Mentor seufzte gedehnt aus, rieb sich mit der verhüllten Hand über das Gesicht und mahlte für einen Moment mit dem breiten Kiefer. „Ach, verdhuumt.“, fluchte er leise und sah giftig zum Turm in der Ferne. „Ver-was.“ Langsam sah Eisruf zum fragend dreinsehenden Mortis runter. „Verdhuumt.“, wiederholte er sich betonend. „Dhuum.“, brummte der Gerüstete und zog die Brauen vermehrt runter, während sein Mentor langsam aber sicher seine Augen verengte. „Ihr wollt mir jetzt nicht sagen, dass Ihr-“ „Doch. Kenne den Namen noch.“, grummelte Mortis abwimmelnd und stierte hinauf zum dunklen Himmel. „Seid Ihr Euch sicher?“ „Hm. Ja.“ Flüchtig musste Eisruf dann doch schmunzeln, während er sich zurück lehnte, als ihm der Leguan auf den Schoß krauchte. „Ihr seid so ein schlechter Lügner..“ „Ich bin nicht darauf ausgelegt zu lügen.“
Sacht zupfte Eisruf an dem kleinen Zackenkamm am Schweif des Leguans herum, der sich dies einfach gefallen ließ und mit leicht heraushängender Zunge auf seinem breiten Oberschenkel liegen blieb. „Nun?“, hakte er nach. „Was wisst Ihr noch?“ Mortis, der seinen Unterarm auf seine Augen gelegt hatte, seufzte gedehnt aus. „Dhuum. Seelenquäler. Gefallener Gott. Eingesperrt in der Unterwelt.“, leierte er runter, woraufhin der Mentor ein amüsiertes Schnauben von sich gab. „Pragmatisches Wesen, Ihr.. Dhuum war der erste Herr der Unterwelt, quälte die Seelen der Toten und wurde eben deswegen von Grenth entthront, ehe dieser ihn hinter den Toren der Halle des Jüngsten Gerichts einsperrte.“ „Mit Hilfe der aufständischen Schnitter.“ „Richtig..“ „Warum.“ „Warum was?“ „Warum brauchte er die Schnitter.“ Mortis nahm den Unterarm von seinen Augen und sah fragend zu seinem Mentor hoch, ohne, dass jene Frage auch nur einen Moment die Monotonie aus seiner Stimme nahm. „War er zu schwach.“ Eisruf sah ihm schweigend mit versteinertem Gesicht entgegen, während sein einstiger Schüler weitersprach. „Denn wenn ja, dann war das nichts anderes, als ein.. naja. Thronraub.“ „Grenth bestrafte Dhuum für seine Untaten, Mortis. Er entriss ihm die Krone und wacht seither über die Unterwelt, nicht minder die Seelen der Verstorbenen.. und genau dafür müssen wir dankbar sein.“ Für einen Moment schien der Gerüstete mit den Antworten zufrieden, ehe sich abermals seine Brauen runter zogen. „Wieso hat er das getan.“ Nun zog Eisruf die Brauen runter. „Wie 'Wieso hat er das getan'? Was meint Ihr?“ Mortis schnaubte aus. „Wieso hat er Dhuum entthront. Was störte Grenth daran. Was in ihm sagte, dass das falsch war. Wo beginnt und endet die Moral eines Gottes. Weshalb störte es die anderen Götter nicht und wenn, weshalb griffen sie nicht ein. Sind am Ende die Gefallenen die wahren Götter.“ Eisruf verengte die Augen langsam, griff mit der rechten Hand den Stab neben sich. „An Euch ist ein guter Dhuumkultist verloren gegangen..“ Mortis blinzelte. „Ist das jetzt gut, oder schlecht.“ Sein Mentor verzog das Gesicht zu einer Grimasse, hob den Stab an und schlug ihm den Schaft brachial in den Magen. Der Gerüstete gab ein dumpfes Keuchen von sich, umgriff seinen Bauch mit gebleckten Zähnen und starrte zu ihm hinauf. „Was. Ich habe Fragen gestellt, die sich mir mit der Zeit aufgelegt haben. Ist das etwa verwerflich.“ „Nein.“ „Warum beantwortet Ihr sie mir dann nicht.“ Eisruf verengte die Augen stärker, woraufhin Mortis wieder mit der Braue zuckte. „Ihr wollt mir noch eine reinhauen.“ „Ja, das will ich!“
Mit den Momenten und noch weiteren Schlägen mit dem Stab, weswegen Mortis' Gesicht von einigen Platzwunden geziert war, legte sich die kurze Spannung der Szenerie. Eisruf hatte sich auf dem Stein ebenso hingelegt und der kleine Leguan wiederum auf ihm. Während die Echse schlief, schien dem älteren Mann die Fragerei seines Schützlings nicht loszulassen. „Ihr denkt nicht so, oder?“, murmelte er schließlich. „Hm.“, schnaubte Mortis aus, der seine Hände auf seinem Bauch gebettet und die Finger ineinander gelegt hatte. „Natürlich denke ich so. Allerdings habe ich meine Antworten schon. Hätte nur gerne Eure Antworten gehört.“ Eisruf begann breit zu grinsen, als hätten diese Worte ihn erfreut. Auch er schloss die Augen und atmete langsam aus, verschränkte für seinen Teil die Arme unter seinem Kopf. „Ihr habt Euch also doch belesen.“ Der Gerüstete brummte amüsiert. „Etwas.“